Wenig faszinierende Strategien 16 | Selbstkritische Betrachtungen 11

31Dec
2015

“Oft werden Fördergelder einfach verschwendet. Man kann offenbar damit sogar Profite erzielen. Ich habe schon viele Werkstudenten getroffen und genug Leserbriefe bekommen, die mir einen guten Trick verrieten: Die Förderprogramme zahlen oft das halbe Gehalt der beteiligten Wissenschaftler. Man wählt dann für die Durchführung des Programms ältere, sehr hoch bezahlte Mitarbeiter und lässt das Projekt faktisch von niedrig bezahlten Mitarbeitern durchführen, am besten von den besagten Werkstudenten oder gar von kostenlosen Diplomanden. Die älteren Mitarbeiter fackeln nur die Statusmeetings ab. Mit diesem Trick kann ein Unternehmen sogar echten Profit mit Fördergeldern machen, auch wenn nichts beim Projekt herauskommt.”
Gunter Dueck in “Aufbrechen: Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen”, Kapitel “Fehler Nummer 1: Gießkannenförderung von Einzelinnovationen”

Es ist eine faszinierend einfache, wenn auch wenig faszinierend dreiste, Erfolgstrategie, Subventionen aus der Sicht eines Unternehmens zu maximieren. So erfolgsversprechend, dass es eigentlich ganz logischerweise jedes Unternehmen machen müsste, das Subventionen erhält!? Zur Verpflichtung eines Unternehmens zählt es nicht, Planforschung aus Politikerhand umzusetzen. Den Gewinn zu maximieren ist dagegen die allererste Pflicht eines Unternehmens gegenüber seinen Anteilseignern.

Faszinierende Erkenntnisse 1 | Ende und Neuanfang 4

26Dec
2015

Nachrichten, die sich gut verkaufen lassen, sind vor allem schlechte Nachrichten. 2014 war schon das Jahr der Kriege, was ist dann 2015? Jahr der Kriege, des Terrorismus und der Flüchtlinge, die davon davon laufen? Was kommt 2016? Ein neuer Weltkrieg?

Von wegen! Sowohl die aktuelle ZEIT als auch der aktuelle Print-Spiegel haben einige sehr schöne Erkenntnisse darüber gesammelt, wie sie Welt zum Besseren wandelt. Höhere Lebenserwartung, weniger Armut, weniger Kindersterblichkeit, mehr Zugang zu Trinkwasser, etc. Auch die Zahl der Getöteten in allen militärischen Konflikten und terroristischen Anschlägen nimmt von Jahr zu Jahr ab. Der letzte Krieg zwischen nennenswerten Mächten war die US-Invasion im Irak 2003 – die vielen kleineren Bürgerkriege in der Zeit danach an vielen Stellen der Welt mögen schrecklich sein, aber weit weniger dramatisch, als es große Kriege früher waren.

Früher war es das Wettrüsten im kalten Krieg, das einen Atomkrieg verhindert hat – heute ist es die Globalisierung, die Kriege unwirtschaftlich für Beteiligten (abgesehen von Terrororganisation) macht, die den Flüchtenden das Überwinden der ehemaligen Grenzen ermöglicht und die Ideale des Humanismus nicht mehr an Ländergrenzen aufhalten wird. Die nationalistischen Bestrebungen in Europa sind natürlich ein gewisser Gegenpol. Junge Leute, die man für eine Revolution bräuchte, sind jedoch nicht zu großen Zahlen darunter. Dagegen werden sich die jungen Kosmopoliten beim Verbreiten ihrer Ideen kaum von den neu gezogenen Grenzen nennenswert aufhalten lassen.

Alles wird besser. Auch wenn das für eine Nachricht schrecklich langweilig klingt.

Wenig faszinierende Erkenntnisse 11 | Ende und Neuanfang 3

06Dec
2015

Der Anfang und das Ende der Demokratie – vom Beginn eines fragilen Konzepts bis dessen immer wiederkehrenden Rückbau durch Despoten – sind Ereignisse, die sich in schöner Regelmäßigkeit im Lauf der Geschichte ereignen. Sollte es uns sorgenvoll stimmen, wenn ein Historiker nun folgendes schreibt?

“Wir sehen inzwischen, wie illiberale Demokratien sich erfolgreich behaupten. Vielleicht deshalb, weil die meisten Leute nicht freie Meinungsäußerung und Freiheit der Künste als ihre Lebenspriorität auffassen, sondern einen vollen Kühlschrank und ein buntes Fernsehprogramm.”
Philipp Blom, Historiker, im Cicero 12/2015

Hat sich die Mehrheit der Menschheit seit über 2000 Jahren im wesentlichen wirklich nicht verändert? Braucht es nur Brot und Spiele in der richtigen Zusammensetzung, garniert mit dem formalen Anschein der Demokratie, und schon interessieren sich die Leute nicht mehr für fundamentalste Freiheiten?

Ich bin kein großer Freund von Bürgerentscheiden, aber die Ablehnung der Olympia-Bewerbung in Hamburg hat mich hoffnungsfroh gestimmt. In der Welt passiert wichtigeres, als das man zusehen müsste, wie junge Leute eine Prüfstand-Situation auf der Olympia-Laufstrecke meistern und dabei Expertise in Fähigkeiten zeigen, mit denen man die Herausforderungen dieser Welt ganz bestimmt nicht angehen kann.

Wenig faszinierende Strategien 14 | Selbstkritische Betrachtungen 10

18Oct
2015

Zuletzt über den Mailverteiler für wissenschaftliches Personal an meiner Uni erhalten:

“Die Ermäßigung der Lehrverpflichtung nach §7 Abs. 4 LUFV kann gewährt werden für:
a) Leistungen in der Lehre: […]
b) Leistungen in der Forschung:
– Erste erfolgreiche Einwerbung von Projekten mit Drittmittelstellen und Peer-Review-Verfahren;
– Vorbereitung weiterer Anträge nach erfolgreicher früherer Einwerbung von Projekten mit Drittmittelstellen und Peer-Review-Verfahren.”

Es mag vielleicht eine Leistung für die Forschung sein, Drittmittel einzuwerben. Zumindest angesichts der Tatsache, dass die Wissenschaftsfinanzierung an deutschen Unis ohne Drittmittel überhaupt nicht mehr funktionieren würde. Aber eine Leistung in der Forschung? Ist damit die Erforschung der Überwindung bürokratischer Hürden gemeint? Oder dieses “Schiffe versenken”-ähnliche Spiel, bei dem es darum geht, mit möglichst viel Buzzwords um sich zu werfen, um die favorisierten Buzzwords des Gutachters auch zu treffen?

Skandinavien | Kosmopolitische Einsichten 2

11Oct
2015

Es ist schon einen Monat her, dass wir aus dem Urlaub aus Skandinavien zurück sind. Eine Rundreise von Oslo über Bergen nach Kopenhagen, mit einem intentionalen Umweg über Karlstadt. Natürlich ist Skandinavien nicht so weit weg, wie andere exotischere Länder, weder räumlich, noch von der Kultur, Politik oder der Klimazone. Und dennoch ist so eine Reise voller kosmopolitischer Einsichten, oder vielleicht gerade deshalb, weil man aufgrund der kulturell größeren Nähe (als bspws. Asien) eine viel größere Chance hat, Authentisches zu erleben anstatt primär das durch die Tourismusindustrie Erdachte.

In Schweden war ich schon einmal einige Monate, anlässlich jenes Auslandssemesters im Herbst 2008 ist auch dieser Blog entstanden. Vielleicht war ich damals zu viel in den englischsprachigen Vorlesungen und auf Treffen mit anderen Austauschstudenten, als dass ich dort wirklich viel über Land und Leute gelernt hatte. Dennoch ist der erste Eindruck in Oslo/Norwegen, dass das hier alles gar nicht so anders aussieht wie an Schwedens Südspitze. Die sehr verwandte Sprache, die vielen Fahrradfahrer in den Städten, die Weitläufigkeit auf dem Land. Wir haben so gut wie niemand angetroffen, der nicht Englisch sprechen konnte, und doch hat man zu keinem Moment den Eindruck, dass dieses Land seine Kultur verleugnet. Rote (und manchmal auch gelbe) Holzhäuser soweit das Auge reicht, sobald man ein paar Meter aus dem Zentrum raus ist und die Häuserschluchten hinter sich gelassen hat. In Oslo reicht es auch, auf eine der vielen Inseln rüberzusetzen.

Die erste Abendverpflegung in Oslo finden wir auf einem interkulturellen Festival – mitten im Stadtzentrum ist eine große Bühne aufgebaut auf der Musik aus aller Welt gespielt wird. Darum herum ebenso exotische Essensstände und dazu Infostände verschiedener (Hilfs-)Organisationen. Der Zusammenhang zur Flüchtlingskrise ist mehr als deutlich, man erinnert sich daran, dass Skandinavien für sehr lange Zeit pro Kopf deutlich mehr Asylbewerber aufgenommen hat als Deutschland. Ein Land, welches nicht einmal in der EU ist (1972 und 94 in Volksabstimmungen abgelehnt, heute durch entsprechende Abkommen in vielen Belangen einem EU-Mitglied gleichgestellt), aber viel mehr europäische Werte verkörpert als der Rest von Europa. In dem das Zusammenwachsen der Welt funktioniert, ohne das die Nationalisten den Untergang ihrer Kultur fürchten (bzw. bisher nur überschau wenige). Ein Land, in dem die Steuern und die Löhne für einfache Tätigkeiten hoch genug sind, so dass die Gefahr der Spaltung der Gesellschaft durch eine zu große Ungleichverteilung des Vermögens geringer ist als in anderen Teilen der Welt.

Die raue Landschaft an der Küste Norwegens (Bergen, Stavanger, Kristiansand) ist ein Traum. Teilweise “hüpft” man per Fähren und riesigen Brücken von Insel zu (Halb-)Insel und sieht die beeindruckend geformte Landschaft der Fjorde (durch einen seewärts gewanderten Gletscher geformter Meeresarm – zugegebenermaßen dachten wir zuerst, dass “Fjord” nichts anderes als ein anderer Begriff für die in Skandinavien charakteristische Küstenlandschaft ist). An manchen Stellen ist das ganze angenehmer aus dem Autofenster zu betrachten, weil der Wind derart stark ist, dass schon das Anziehen einer Windjacke eine Herausforderung sein kann. Die Schönheit einer felsig-rauen Landschaft oberhalb der Baumgrenze erlebt man in Küstennähe teilweise bereits auf Meereshöhe.

Wir sind außerhalb der Hauptsaison unterwegs, und einige der “mittelgroßen” Städte (jedenfalls für skandinavische Verhältnisse) auf unserer Route verströmen nördlichen Charme, aber wirken etwas verschlafen. Von den vier Bars im Zentrum von Karlstad, an denen wir vorbeilaufen, hat eine einzige offen und bewirtet eine einstellige Anzahl an Gästen. An Ufer des See Vänern lässt sich gemütlich entlang wandern, doch außer ein paar Joggern begegnen wir niemanden, die Cafés haben außerhalb der Hauptsaison bestenfalls am Wochenende offen. Überhaupt sind die Cafés auf unserer Route dünner gesät, als ich zuerst annahm. Auf den “großen” Straßen wie der E39 (die großteils eine Landstraße mit einer Fahrspur pro Richtung ist; manchmal kommt eine Überholspur dazu) sind die Cafés und Tankstellen mit großen Schildern angekündigt und meist mehr als 50km voneinander entfernt – einfach mal von der Straße in ein kleines Dorf abfahren und ein Café suchen ist praktisch nie von Erfolg gekrönt.

Je näher wir Richtung Dänemark kommen um so mehr bekommt man von der Flüchtlingskrise mit. Beispielsweise sind am Flughafenbahnhof Kopenhagen Kleider- und Lunchpack-Lager entstanden um die ankommenden Flüchtlinge auszustatten. In Kopenhagen laufe ich zufällig an einem “Friedenskonzert” vorbei, wo Musiker für den Weltfrieden singen. Ich finde die Musik gar nicht schlecht und bleibe einige Zeit stehen, bis ich dann einen Flyer in die Hand gedrückt bekomme, auf dem die einfache Gleichung “Kapitalismus = Krieg, Kommunismus = Frieden und Wohlstand für alle” notiert ist. Irgendwas habt ihr da nicht verstanden, denke ich mir.

Was lernen wir an kosmopolitischen Einsichten? In vielen Belangen wirkt Deutschland wie ein Entwicklungsland, verglichen mit Skandinavien. Jede winzige Bed&Breakfast Gasthaus hat so schnelles Internet, dass sich die Mediatheken aus D in Full-HD streamen lassen. Die durchgehend vorhandenen Englischkenntnisse, wenn man jemanden auf der Straße nach dem Weg fragt. Die Offenheit der Gesellschaft gegenüber Zugewanderten. Und doch ist diese Gesellschaft auch in Dingen “weiter”, die in Deutschland so schnell mehrheitsfähig werden: Gezahlt wird fast nur per Karte, die für allerlei Kleinkram notwendige Personennummer macht die Aggregation persönlicher Daten sehr einfach, die Steuerzahlungen (also insofern auch die Gehälter) sind offen einsehbar. Die Leute vertrauen ihrem Staat, ihren Unternehmen; sie vertrauen sich gegenseitig. Eine Tatsache, die diese Länder sehr sympathisch erscheinen lässt.