Die Erkenntnis aus dem Diesel-Gipfel, ist eine, die wenig mich wenig faszinieren kann: Am Ende arrangiert sich die Politik eines Landes mit der führenden Wirtschaft des Landes immer irgendwie. Es ist absurd, wie die Hersteller die Politik mit ein paar wirkungslosen Software-Updates vertrösten können. Und doch führt es nur konsequent fort, wie die Politik in den letzten Jahrzehnten mit der Autoindustrie umgegangen ist. Der Amtseid, den die Kanzlerin geleistet hat, ihre “Kraft dem Wohl des deutschen Volkes [zu] widmen” und “seinen Nutzen [zu] mehren” lässt sich durchaus auch so interpretieren, dass die deutsche Autoindustrie zu schützen ist, angesichts der vielen Arbeitsplätze, die davon mittlerweile abhängen. Leider.
Da ändern auch 38.000 Tote (jährlich) durch erhöhten Stickoxid-Austoß nichts. Man muss mit diesen Statistiken sehr, sehr vorsichtig sein, weil es eben Hochrechnungen und keine sauberen Vergleichsstudien mit Kontrollgruppen sind. Aber weil es aus ethischen Gründen niemals eine Studie geben wird, in der man in zwei sehr vergleichbaren Städten in der einen Stadt die Stickoxid-Belastung über 20 Jahre lang künstlich erhöht und dann die Todesfälle zählt, ist man bei solchen Fragen auf statistische Hochrechnungen angewiesen (ein Problem, dass alle Studien über Gesundheitsrisiken haben). Selbst wenn die Studie um den Faktor 10 daneben liegen sollte, wir also von nur noch 3800 Tote pro Jahr sind: Sehr wahrscheinlich sind es mehr als die langfristigen Opfer der Reaktorkatastrophe von Fukushima pro Jahr, auch wenn da die Zahlen weit auseinandergehen (unmittelbare Opfer gab es keine). Wie lange dauerte die 180°-Wende in der Nuklearpolitik nach dem Reaktorunglück nochmal? Wochen? Nein, Tage. Nun, Atomkraft ist eben keine deutsche Schlüsseltechnologie (mehr).
Faszinierend finde ich die Strategie der deutschen Umwelthilfe, gegen die erhöhten Stickoxid-Belastung in den Städten zu klagen und damit auf verwaltungsrechtlicher Ebene Fahrverbote anzustreben. Auch wenn die Autoindustrie unter dem Protektorat der Regierung steht: Wir haben immer noch Gewaltenteilung. Und Richter, die weniger Probleme haben, die Gesetze zu “interpretieren”, die einen klaren Schadstoff-Grenzwert festlegen oder die Zykluserkennung bei der Abgasnachbehandlung verbieten (im Interview ging es zwar um amerikanische Gesetze, aber die EU-Richtlinien sind nicht weniger deutlich). Jedenfalls kann ich das Vorhaben der deutschen Umwelthilfe nur unterstützen, sowohl mehr Anstrengungen zu unternehmen, die Höchstgrenzen an Schadstoffen in den Städten einzuhalten (gerne auch mit Fahrverboten) und gleichzeitig die Hersteller dazu zu verpflichten, bei den verkauften Fahrzeugen die Grenzwerte auch wirklich einzuhalten. Damit meine ich nicht nur moralisch-ethische Unterstützung, sondern auch finanzielle Unterstützung (übrigens steuerlich absetzbar). Eigentlich schade, dass dieser Weg über private Vereine und die Verwaltungsgerichte überhaupt notwendig ist. Aber offensichtlich ist es eine zielführende Strategie.