Positives Denken 2 | Selbstkritische Betrachtungen 17

24Dec
2022

Es ist selten geworden, dass ich hier etwas schreibe. Gerade drei Beiträge sind es bisher dieses Jahr geworden, wobei der erste davon, im Januar, eine Art Rückblick auf das vergangene Jahr 2021 war. Nun neigt sich wieder ein Jahr dem Ende und ich empfinde das Bedürfnis, meine Gedanken zu sortieren und eine etwas persönlichere Rückschau zu wagen. Ein Rückblick auf ein Jahr, in dem sich vieles in der Welt nicht gerade zum Besseren verändert, das für mich persönlich aber voller spannender Erlebnisse, jeder Menge neuer Erkenntnisse und voller (neuer) schöner Verbindungen zu lieben anderen Menschen war. Ist das ein Widerspruch? Darf man sich über das eigene Glück und die eigene Zufriedenheit so ganz vorbehaltlos freuen, als gäbe es kein Gestern und kein Morgen? Kann man in all den schönen Augenblicken, die man erlebt, ausblenden, dass das Weltklima gerade gegen die Wand fährt oder das in Europa Krieg herrscht? Diese Frage erinnert mich an ein unlängst gehörtes Interview (im Podcast “Hotel Matze”) mit Luisa Neubauer, die gefragt wurde, auf welche Weise sie das vierjährige Jubiläum von “Fridays for future” so feiert. Sinngemäß sagte sie, dass man angesichts der unverändert dramatischen Lage des Weltklimas keinen endgültigen Erfolg feiern kann. Aber dennoch kann man sich sehr darüber freuen, alles gemacht zu haben, was man leisten konnte. Und sie sprach darüber, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu achten, genug Zeit und Fürsorge für sich selbst aufzubringen. Auf sich selbst achten, um etwas für andere oder die Welt geben zu können.

Während ich Luisa Neubauer zitiere, gebe ich selbstkritisch zu, dass mein ökologischer Fußabdruck gerade nicht besonders klein ist. Ich lebe in einem sehr wohlhabenden Land mit entsprechend hohem Ressourcenverbrauch, kann mir derzeit schlecht vorzustellen ohne eigenes Auto zu leben und mein Engagement für die Umwelt und gegen das humanitäre Leid in der Welt beschränkt sich auf vergleichsweise kleine Spenden. Ganz selbstkritisch erkenne ich an, dass ich das meiste an meiner schöpferischen Kraft an mich selbst und an die lieben Menschen in meinem Umfeld gebe. Ich freue mich an all der positiven Energie und dem positiven Denken, was ich daraus schöpfen kann, was ich dafür zurück bekomme. Vielleicht kann man die Welt ein kleines bisschen besser machen, wenn man mehr Zuneigung anstelle von Aversion verbreitet, und die Augen nicht verschließt vor dem, was andere sehen und fühlen. Vielleicht ist das schon alles, was ich geben kann. Vielleicht ist auch eine Zeit in meinem Leben gekommen, in der ich nun die schönen Momente genießen möchte, im Einklang mit mir selbst und meinen Liebsten zu leben. Etwas zu empfinden, was meiner Vorstellung von Glück und Zufriedenheit zumindest sehr nahe kommt und ich mich in Demut davor verneigen muss.

Um nun aus dem Schwelgen ein wenig mehr ins Konkrete und Greifbare zu kommen: Ich blicke zurück auf wunderbare Erlebnisse in den Bergen am Anfang des Jahres. Die Skitouren im Schweizer Wallis zählten mit zu den schönsten Bergerlebnissen, die ich je erlebt habe. Ich hatte kurz überlegt, ein paar Bilder aus den Bergen hier hochzuladen. Aber können die Bilder das Gefühl der endlosen Weite und der weiß-glitzerndern Schneedecke auch nur ansatzweise wiedergeben? Im Übrigen bin ich auch kein besonderer Freund der all zu länglichen Naturbeschreibungen und der dabei erlebten Empfindungen der Wandernden, wie sie teilweise im Magazin des Alpenvereins unverhältnismäßig viel Platz wegnehmen. Geht gerne selbst hinaus in die Natur, hinauf auf die höchsten Gipfel, die ihr euch konditionell und technisch zutraut und genießt es auf eure Weise! Meine Beschreibungen könnten mit dem eigenen Erleben ohnehin nicht ansatzweise mithalten. Dazu das Erleben der Demut vor der Natur, zu begreifen wie klein wir Menschen gegenüber den Bergen sind und wie schnell wir an die Grenzen unserer Fähigkeiten kommen, wenn wir ihre Gipfel erklimmen.

Ich blicke zurück auf verschiedenste Workshops, Kongresse und Zusammenkünfte, auf die inspirierenden Gespräche dabei, die dabei gewonnenen Erkenntnisse über die Welt und über mich selbst sowie auf dabei entstandene Kontakte, die hoffentlich lange halten werden. Ich weiß nun um so mehr schätzen, was nun in der Post-Corona-Zeit an persönlichen Treffen wieder möglich ist. Gleichzeitig weiß ich die neu gewonnene Freiheit zu schätzen, die aus der allgemeinen Akzeptanz des Home-Office in der Arbeitswelt entstanden ist. Auch blicke ich zurück auf die vielen Stunden, die ich auf den nahegelegenen Tennisplätzen, Badminton- und Boulderhallen verbracht habe. Ich denke an energiegeladene Abende mit lauter Musik, Tanzen und vielen Menschen. Ebenso gerne erinnere ich mich an entspannte Nachmittage vor dem Kamin in einer Ferienwohnung nach einem anstrengenden Skitourentag oder an gemütliche Spieleabende mit lieben Freunden. Am präsentesten, weil am aktuellsten, sind die Erinnerungen an Plätzchen-Back-Nachmittage und Glühweinabende.

Ich blicke freudig nach vorne auf eine 4-Tages-Arbeitswoche, für ich mich nun entschieden habe. Nach einigen turbulenten Arbeitsjahren in einem jungen und sehr agilen “Start-Up” bin ich nun seit gut einem Jahr in deutlich ruhigeren Fahrwässern. Manchmal führen die langsameren Prozesse sogar zu den nachhaltigeren Ergebnissen. Wenn wir einmal öfter nachdenken, bevor wir uns in die Arbeit stürzen, keine “nightly hacks” fabrizieren vor übereilt angesetzten Kundenpräsentationen. Stattdessen ist schön viel Akzeptanz zu erleben für die älteren und nicht mehr ganz so schnellen Kolleg:innen. Ein Direktive wie “Höher, Schneller, Weiter” mag zu unserem Wohlstand geführt haben, mag für mich in jungen Jahren verlockend geklungen haben, aber zu meinem persönlichen Glück wird sie mich nicht führen, zumindest nicht in meiner aktuellen Lebensphase. Vielleicht würde ein “Rückzug in das Private” meine Lebensphase durchaus treffend umschreiben. Doch diese Phrase ist mit seltsamen und unpassenden Assoziationen verknüpft, nachdem ich sie in einem zeitgeschichtlichen DDR-Museum einmal gelesen habe, dort aber bezogen auf den Unrechtsstaat. Vielleicht trifft es “Fokus auf Selbstentfaltung und private Verbindungen” ein bisschen besser, vielleicht ist das aber auch nur eine selbstüberhöhende Beschreibung für die Suche nach dem Glück, nach dem wir doch alle streben.

Ich habe verschiedenste Gemeinschaften zu schätzen gelernt, jedenfalls viel mehr als die so emotional arme, ellenbogenlastige und oft auch oberflächliche Business-Welt. Vielleicht klinge ich nun esoterisch, wenn ich sage, dass die Welt mehr Liebe und mehr Miteinander brauchen könnte. Ich erinnere mich an eine Social-Media-Kampagne “Jews and Arabs refuse to be enemies” vor vielen Jahren, bei der Pärchen und enge Freunde beider Seiten sich eng aneinandergekuschelt auf Photos gezeigt haben. Ein nachhaltiger Erfolg war es wohl nicht, wenn man sich die Lage in Israel und Palästina heute anschaut, doch der Wille und die Botschaft zählt. In grenzenloser Naivität habe ich mir auch einmal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn die Staatschefs verfeindeter Staaten alle gemeinsam auf einer Kuschelparty wären. Ob dann ein Ende der Kriege vorstellbar wäre. Nun, man darf im Anblick des geschmückten Weihnachtsbaums doch ein wenig träumen?

In diesem Sinne: Frohes Fest und viel positive Energie!