Urlaub rekursiv

26Nov
2008

Schon längst wollte ich mich daran machen die überfällige Niederschrift unserer Erlebnisse in Schwedens Hauptstadt für die Ewigkeit zu bewahren und in Worte zu gießen – wäre da nur nicht der von Sonntag Abend bis Dienstag Abend dauernde Internet-Blackout in diesem Wohnheim gewesen – scheinbar allerdings nur selektiv einige Wohnheimsbewohner betreffend. Das darunter mit Daniel und mir zwei Utbytesstudenter fielen, die des öfteren ihre Korridorküchen zur Okkupation durch Verbündete freigegeben haben – der Widerstand lauert im Untergrund? Unterhalb der von dem wenigen Tageslicht durchdrungenen Etagen, in den Kellerräumen, in den Schaltzentralen für die Versorgung mit dem lebensnotwendigen Elixier, dem Internet? Nein im Ernst: Wenn man sich über etwas nicht beschweren kann, dann die Versorgung mit Internet. Nun habe ich tatsächlich einen Internetvertrag abgeschlossen, 100 Mbit/s für 29 Kronen im Monat (ca 2.8 € bei derzeitigem Kurs) – von sowas wagt man in Deutschland nicht einmal zu träumen.

Zu den vorhergenden Geschehnissen: Da dürfte unsere “Autoreise” – wie sie durch die Übersetzung einer Kopiervorlage eines deutschen Studentenverzeichnisses in vorhohnepiepelnder Weise von “Roadtrip” ausgehend bezeichnet wurde – sicherlich Erwähnung finden. Zu den in diesem Kontext herausragenden Ereignisses: Es fiel Schnee! Schnee! Schnee! Und das zum ersten Mal während unserer Zeit in diesem Land – sieht man von einigen Rückständen knapp oberhalb der Nachweisgrenze ab, die während einer Expedition nach Växjo gesehen worden sein sollen. Doch nicht nur die freudvoll gefeierte Entdeckung des pulvrigen Weiß zeigte das nahezu perfekte Timing unseres Urlaubs im Urlaub auf: Auch das an gerade jenem Samstag Tag der offenen Tür im Riksdag war, war ein – nicht ganz geplanter Zufall. Was sich unter anderem dabei zeigte: Schweden ist auf einem möglichen Rückgang der Alphabetisierung bestens vorbereitet: Die Ja/Nein/Enthalten Buttons an den Sitzen des Ikea-Style-Sitzungssaals des Parlaments sind auch farblich eindeutig in Grün/Rot/Gelb gekennzeichnet. In und um Gamlarstaden eine wunderschöne Stadt – so schön, dass auch die Touri-Abzock-Shops, die Made-in-China als Elche-in-Schweden teuer verkaufen, ein Eldorado gefunden haben. Wieviel Elch-Shirts, -Kissen und -Mützen haben wir noch mal gekauft?

Wirklich sehenswert ist das Vasa Museum – das die kurze Geschichte jenes Schiffes erzählt. Etwas Stirnrunzeln erzeugt das Motto des Museums – in englischer Sprache – “From a wreck to a State-of-the-Art ship” allerdings schon in Anbetracht der Tatsache, dass es sich dabei um eine Fehlkonstruktion handelte, die keine 15 Minuten auf dem Wasser war, ehe sie sank. Aber nun gut – AutoCAD 3D stand den damaligen Konstrukteuren nicht zu Verfügung und dafür hat man sich künstlerisch an den Skulpturen rund herum reichlich verausgabt, welche weitestgehend unbeschadet zu sehen sind.

Ansonsten endet morgen schon eine der Vorlesungen des zweiten Teils – und der Rest meiner Zeit hier kann ich studientechnisch der differential geometri widmen. Dann wird der Ernst des Lebens mit Praktikum/Studium in Deutschland wieder beginnen – zumindesten im direkten Vergleich mit dem Land, in dem man Vorlesungen besteht, in dem man 50% der Übungsaufgaben “reasonable tried” hat.

Nepper, Schlepper, Studentenfänger

16Nov
2008

Eigentlich liegt die Episode in der ich über Studentenfänger (im Speziellen: Austauschstudentenfänger) berichtete nun knapp 3 Monate zurück – solange schon bin ich in dieser schönen Stadt, selbst erstaunt in diesem Moment über die Feststellung tatsächlich schon so lange hier zu sein. Doch es gibt wieder Anlass zur Beschwerde, und – nein – dies ist kein Nicht-Beschwerde-Auslandssemester. Mit “Experience a swedish bal” wurden etliche “Internationals” wahlweise auch “exchange students” oder im speziellen “Melkkühe” auf einen Ball gelockt, dessen letzte halbe Stunde wir tatsächlich miterleben durften. Vielleicht wäre “taste” oder “have a short look at” die geeignetere Beschreibung als “experience” gewesen – nun gut wir hatten immerhin ein ganz gutes Sittning (Essen sehr gut, aber leider viel zu wenig) zuvor, trafen auf etliche Nicht-Deutsche (soll vorkommen) und erst gegen kurz vor 1 erhielten wir Einlass zu diesem “Ball” der, von einheimischen Studenten veranstaltet, sich in seinen letzten Zügen befand und dann bald ersetzt wurde durch Musik aus dem Beatgenerator. Dafür dann (zusätzlich zu Sittning versteht sich) 100 Kronen (= 10 €) zu zahlen, ist – nunja – Studentenfängerei?

Was ständiges Meckern verdienen würde aber natürlich keinen Schuldigen hat ist das Lunder Wetter – meist nur Nachts oder frühmorgens erlebt man das seltene Naturschauspiel eines klaren Himmels, ansosten wechselt sich Dauernieselregen mit starken Windboen samt Regenfällen ab – nun was erwartet man in den Wintermonaten in Skandinavien?  Schnee durften wir unterdessen immer noch nicht sehen – und wirklich hoch ist die Wahrscheinlichkeit wohl nicht einmal in diesen Breiten eine in weiß versunkene Landschaft zu Gesicht zu bekommen. Das sollte sich zumindest bei der anvisierten Tour gen Stockholm ändern…

Doch wollen wir auch einige positive Worte verlieren über die die Studenten betreffenden Einrichtungen in dieser schönen Stadt. Darunter fiele zum Beispiel das IHO, kurz für “International Housing Office”, die klaglos, mit (ironiefrei) freundlichstem Personal meine Kündigung des Appartments für Ende Dezember akzeptiert haben, was mir eine halbe Monatsmiete spart. Doch auch die Nation, in der ich Mitglied bin, hat eine ganz angenehme Besonderheit: Eine Nation-eigene Sauna, die wir heute Nachmittag genutzt hatten – zwar verfehlt diese ganz knapp das Niveau der Saunalandschaft der Therme Erding – aber da es inklusive ist von dem Nation-übergreifend-normierten Mitgliedsbeitrag: Einem geschenkten Gaul…

Ich wollte meinen Tätigkeit als Kommentator des alltäglichen politischen Geschehens ja wesentlich einstellen – nun folgt doch noch ein Kommentar, wenigstens ein Verweis auf denselbigen, zu einem Thema das schon längst Schnee von gestern ist. Ein hier öfters zitierter Journalist – namentlich Matthias Matussek – hatte unlängst nach der US-Wahl eine ziemliche Verhohnepiepelung derselbigen in seinen Videoblog gestellt. In der Tat stellt man sich nach den Reaktionen (Entschuldigung: nach der Reaktion im M.R.R.schen Sinne – nein der Link kommt kein drittes Mal!) auf die Wahl ernsthaft die Frage ob das Messias-Fieber wieder einmal ausgebrochen ist. In einer Zeit, in der der Einfluss einzelner Personen auf das Weltgeschehen geringer ist als je zuvor und die von soviel Individualität bis Narzismus geprägt ist, das ein Wiederauferstehen eines Heilbringers nicht nur unwahrscheinlich ist, sondern vielleicht auch von vielen nicht gewollt, nachdem wir immer wieder das Anlitz der Medusa in den Führer-Figuren der Weltgeschichte gesehen haben. Dabei lesen wir auch noch bei Schmidt, das “Charisma allein keinen guten Politiker ausmacht”, gefolgt (und medial ausgeschlachtet) mit dem gefürchteten H-Vergleich. Was ich damit sagen will? Ich versuche die Essenz des obigen auf zwei Wörter zu komprimieren: “Denkt selbstständig.” (wahlweise auch “Denkt frei.”)

Schokolade und Äpfel, Birnen und Pflaumen

09Nov
2008

Es soll Leute geben, die die Begriffe Auslandssemester und Urlaubssemester synonym verwenden – an mancher Stelle ist der dezente Hinweis auf diese Tatsache angebracht, wenn übereifrige Student(inn)en zu nachtschlafenen Zeiten (die bei manchen anderen Studenten erst um 1 Uhr nachmittags enden sollen…) noch ihren Übungsaufgaben nachgehen. Was meine Haltung dazu angeht, sei der vorgehende Samstag kurz zusammengefasst: Nach vorabendlichen Ausflug in einen Nation-Klubb bis kurz nach 12 Uhr geschlafen – nach kurzer Durchsicht der wichtigsten Nachrichten dieser Welt wurde ich gefragt, ob ich an einer Shopping-Tour nach Malmö teilnehmen wollte. Das war dann soetwas wie die triviale Lösung des Problems wie man diesen Samstag in sinnvoller Art und Weise verbringen könnte. Relativ aprupt beendet wurde dieser Ausflug durch die Ladenschlusszeiten, die kurioserweise (es gibt in Schweden keine generellen Ladenschlusszeiten) in Malmö bereits um 17 Uhr enden (dafür allerdings auch Sonntags zur gleichen Zeit) – wie schnell man sich doch plötzlich entscheiden kann (muss), wenn die Beleuchtung 10 Minuten vor Torschluss schon halb ausgeht… Danach gemeinsames Kochen und eine sehr unterhaltsame Munchkin-Runde – und der Samstag im Urlaub(ssemester) war rum.

Natürlich schildert diese eine die Regel bestätigende Ausnahmeerscheinung – denn in der Tat lässt sich am schwedischen Universitätssystem allerlei lehrreiches mitnehmen, wie es D.S. in seinen 4 Thesen formuliert hat. Dazu sei aber durchaus angemerkt, dass die etwas stiefmütterliche Behandlung der theoretischen Aspekte der hier gelehrten Fächer durchaus Verständnis aufkommen lässt für die Darstellung des C.H.. Da wurden in manchen Numerikkurs doch etwas eigenwillige Konzepte über Punkte und Vektoren zur Diskussion gestellt, und auch in der – ingesamt betrachteten sehr gelungenen – Algorithmentheorie wurde “obvious” schon zu mehr oder weniger einer universell gültigen Antwort. Insofern schätze ich es sehr,  eine sehr anwendungsorientierte Einsicht hier bekommen zu haben – wobei man die objektiven Voraussetzungen zum Scheinerhalt in manchen Fächern (“50% reasonable tried…”) durchaus kritisch betrachten kann…

Ganz unkritisch dagegen war die Kalkulation unserer Einkäufe für das vorgestrige Schokfondue (Bilder online) – “sind das wirklich genug Banenen?”, “Wir brauchen mehr Äpfel!”, “Schokolade wird doch nicht so schnell schlecht”,… – in dieser Weise hätte die eingekaufte Menge an Äpfel, Birnen und Pflaumen (-> 4:05) [ich weiß, ich wiederhole mich…] wohl mindestens für die selbe Menge an Personen gereicht. Nachdem alle bestens gesättigt waren und ein “Verdauungsstamperl” sehr willkommen war, musste das Problem der sinnvollen Verarbeitung der Reste geklärt werden. Dazu zwei hervorragend funktioniert habende Konzepte: Einen klassischen Obstkuchen, den wir zum Teil sofort, dann zu einer “After-Party” um 3 Uhr nachts, nachdem wir im Klubb waren, verspeisten – und in einem Akt des Altruismus (um uns etwas erkenntlich zu zeigen, nachdem wir ständig die Korridorküche blockieren) zum Allgmeingut erklärten (auf Partys bin sogar ich für Kommunismus ;-)) – was auf beste Resonanz meiner Korridor-Mitbewohner stieß. Ansonsten lassen wir den weltpolitischen Abschweif einmal aus – denn wie stellten wir zuletzt beim Shopping fest, bei der Diskussion ob man gewisse Läden boykottieren sollte wegen Kinderarbeit? “Wir können die Welt nicht verändern…”. “Wer so denkt…?” Doch natürlich kann man es. Aber nicht so.

Schwarz, Rot, Gold

01Nov
2008

Der zweite Teil des Semesters hat gerade begonnen, es ist somit für die Uni nicht all zu viel zu tun, und Zeit jede Menge obskure Ideen zu denken – wahlweise auch in die Realität umzusetzen. So ergab es sich, dass seit heute drei deutsche Mathematik Studenten die Landesfarben ihrer Heimat nun in ihrer Haarpracht zur Schau stellen. Während sich für rot und schwarz sich andere Opfer finden ließen übernehme ich mit meinen komplett-blondierten Haaren den untersten Streifen unserer Flagge.

Wie es dazu kam: Entgegen meiner grundsätzlichen Einstellung, nicht jeden blödsinnigen Kommerz unterstützen zu müssen – wir hatten für das gestrige Sittning schon früh Karten, dass uns (also mir zumindest) gar nicht so Recht bewusst war, dass dies natürlich das Halloween-Sittning war. Um sich den Gepflogenheiten dafür anzupassen machten wir uns also auf die Suche nach Schminke und farbigem Haarspray um optisch dem gleichzukommen wie man sich gemeinhin Vampire vorstellt – wie sehr das gelungen ist, erzählen die Photos. Auf der Suche nach entsprechenden Utenselien in verschiedenen Spielwarengeschäften wurden ich dann mit einem Kulturschock par execellence konfrontiert – nicht einmal was die Kultur dieses Landes angeht, sondern mit was sich Kinder heutezutage beschäftigen (müssen) – disfunktionale Küchengeräte im Miniaturformat, Barbie und Konsorten – Manifestation tradierter Rollenbilder weit vor dem Alter in dem man Top-Model guckt… Intelligente Kinder spielen Lego.

Aber nun gut zurück zum Sittning/Klubb. Auf jener Party fiel dann der gemeisame Entschluss – morgen werden die Haare wirklich gefärbt (respektive getönt – jedenfalls etwas, was länger als bis zum nächsten Waschen hielt). Was eigentlich jeder der Beteiligten solange für einen Witz hielt, bis die Farbe (respektive das Bleichmittel bei mir) sich tatsächlich in unseren Haaren fand, ist – zumindest meiner Ansicht nach und allem Zweifel eines der Beteiligten, wir würden in Zukunft nur noch mit Mützen durch dieses schöne Stadt laufen, zum Trotz – ein voller Erfolg geworden.

Auf diese Weise verbringen wir also hier einen Samstag – während andere der renommiertesten Wissenschaftler der Welt über die Unmöglichkeit der Weltformel diskutieren. Während die, selbst wenn sie gefunden werden würde, sowieso von fast keinem verstanden werden würde, wurde zumindest von der Allgemeinheit verstanden, was die “Nacktscanner” an Flughäfen denn machen würden – aber gut, dass unsere Regierung etwas ablehnt, dass sie schon seit Jahren fördert. Wer hier auch nach allen Regeln der Kunst gefördert wird, ohne dass es ihm in diesem Kontinent Wählerstimmen einbringt ist Barack Obama. In Deutschland erhielte er wohl knapp 100% – ohne jede Manipulation, Ergebnisse mit denen man einen sozialistischen Einparteienstaat aufbauen könnte – wo Herr Matussek nicht ganz Unrecht hat. Immer diese (rechten?) Spaßbremsen werden sich einige denken – wie Frau Ypsilanti wahrscheinlich auch…