Seoul II | Busan I

11Apr
2012

Mittelalter und Zukunft sind oft nur wenige Meter voneinander entfernt in den Metropolen von Südkorea. Man schlendert an 8-streifigen Hauptstraßen entlang, zu deren Seiten sich die Skyline erstreckt, wo sich der Name eines Global Players an den anderen reiht, überproportional häufig aber Samsung. Wolenkratzer, bei denen die Architekten ihrer Kreativität freien Lauf lassen durften, riesige Bildschirme findet man an quasi jedem Straßeneck, ein Flußlauf im Mittelstreifen der Allee ist derart schön mit Fußwegen umbaut und mit Brücken überbaut, dass er problemlos als dekorative Beigabe am Vorhof eines Grand Hotels durchgehen könnte.

Doch kaum verlässt man die Hauptstraße, geht in eine der Seitengassen, werden die Straßen zu einem Flickwerk, wo mal hier, mal da etwas ausgebessert wurde. Manche Häuser werden gebaut, andere abgerissen, wieder andere sehen so aus, als werden sie bald abgerissen. Manchmal lässt man auch die stabilen Stahlträger übrig, die dann als Grundlage für ein neues Haus oder Geschäft dienen. Häuser, die keine Hochhäuser sind, sind hier soetwas wie die Bepflanzung eines Gartens: Ein paar Saisons wird es schon halten, dann kann man sie wieder neu bauen.

In Schaufenstern, am Strand, in Museen findet man Terminals mit großen Touchscreens, die Informationen bereit halten, Tickets kauft man selbstverständlich nur an Automaten. Vor die Aufgabe gestellt, Briefmarken zu kaufen, sollte man doch meinen, auch dafür gibt es einen Automat? Doch wie findet man überhaupt eine Post? Junge Koreaner, die englisch sprechen, nach einer Post gefragt, denken lange nach, fragen andere Koreaner nach einem Postamt – langsam stellt sich die Frage, ob es hier sowas wie eine Post gibt. Die ganzen Kuriere auf kleinen Motorrollern, die sich, an keine Verkehrsregeln haltend, wechselnd zwischen Straße und Fußweg in ein und der selben Geschwindigkeit, einen Weg bahnen, man manchmal wegen ihnen schnell zur Seite springen muss, lassen einen ahnen, dass das Logisitik Gewerbe hier fest in privater Hand ist; neben inländischen Speditionen haben wir auch schon etliche kleine DHL-Autos und auch Motorroller gesehen. Als wir schließlich im Postamt ankommen, wird uns einiges klar: Die koreanische Post wurde zu einem lebenden Fossil, einem staatlichem Unternehmen, dass sich wahrscheinlich seit Jahrzehnten jeder Modernisierung wiedersetzen konnte. Statt Automaten eine riesige Schalterhalle, in der die Postbeamten historisch anmutendende Postmützen tragen, im Gegensatz zu den sonst so hektischen und nervösen Menschen hier, ganz seelenruhig hinter den Schaltern sitzen, wobei je ein Schalter für eine spezielle Aufgabe da ist, die langsam aber stetig, auf Kundenwunsch abgearbeitet wird. Schließlich Briefmarken für Karten nach Deutschland gekauft, die etwas weniger als Hälfte des Preises kosten, was Briefmarken innerhalb von Deutschland kosten. Ob wir vom koreanischen Staat subventioniert wurden, oder die deutschen Briefmarkenpreise die deutsche Post subventionieren? Man weiß es nicht so genau.

Der Ticketkauf für Zugtickets nach Busan ist überraschend einfach, es gibt einen Automat der englisch kann, und es gibt auch nicht wie in Deutschland solche Späße wie Bahncard, Regio-Ticket, extra Reservierung – es gibt einfach nur einen Standardpreis mit automatischer Platzreservierung. Schwierig ist nur die Bezahlung mit Bargeld – jeder Automat lässt einem nur etwa eine halbe Minute Zeit, das Geld einzuzahlen, dann wird der Vorgang abgebrochen, auch wenn man kurz davor noch erfolgreich Geld eingeworfen hat. Viel sieht man nicht von der Landschaft bei der Fahrt nach Busan, das Land ist bergig und die Zugfahrt dementsprechend reich an Tunneln. Die Motelsuche in Busan, Haeundae Beach, ist denkbar einfach, den ungefähr jedes zweite Haus hier ist ein Motel, wir sind nun sogar schon in unmittelbarer Nähe des Konferenzhotels. Am Strand zeigt sich die Stadt von ihrer modernen Seite, ein hölzerner, gut ausgebauter Weg, geht auf der Felsküste entlang, eine Tartanbahn ist als ständige Jogging-Strecke eingerichtet, Fitness-Geräte stehen frei herum.

Die U-Bahn verkehrt oft relativ weit weg von der Küste, insofern stellt es durchaus ein kleines Problem da, einen anderen Strand zu besuchen – Busstationen sind ausschließlich in Koreanisch beschriftet, bei den Stationsnamen, wie wir sie aussprechen, basierend auf der englischen Transkription, ernten wir von den Passanten und Busfahrern nur fragende Blicke. Schließlich fragen wir einen der Polizisten, die vielerorts stehen, aber eigentlich nichts zu tun haben dürften, handelt es sich schließlich um die sichersten Städte der Welt. Der erklärt uns in relativ solidem Englisch, dass laufen zu weit ist, ein Bus nicht direkt fährt, ein Taxi das einfachste sei. Doch dann die scheinbar grenzenlose koreanische Hilfsbereitsschaft: Auf die Frage, wieviel ein Taxi kostet, bietet er uns an, uns im Polizeiauto zum Strand zu fahren, und so erleben wir unsere erste Fahrt in einem Polizeifahrzeug überhaupt. Am Strand die ersten Schritte im Wasser, eine Überbrückung einer Regenpause in einem der zahllossen Cafés, eines das ein recht offensichtlicher Starbucks-Clone ist, die Rückfahrt in einem Regionalzug, der ziemlich genau von der Strand, an der Küste entlang, zu unserem Strand führt. Nachdem wir schon an den interaktiven Info-Terminals am Strand vorbeigelaufen sind, erleben wir nun wieder etwas Mittelalter: Eine kleine, provinzielle Zugstation ohne einen Automaten, nur mit Schalter, wo man Fahrkarten nur mit Platzreservierung kaufen kann und der Zug von einer Diesellok gefahren wird, die doch etwas historisch aussieht. Dafür sieht man während der Fahrt meistens einen Teil der Skyline.