Ein Städtchen an der Wertach

25Apr
2010

Seit zwei Wochen bin ich nun wieder in jener Stadt, in der ich bereits die meiste Zeit meines Studiums verbrachte.  Vielleicht würde man Städtchen sagen, aus der Perspektive jener Städte deren Lehr- und Forschungseinrichtungen klangvollere Namen tragen, klangvoll abgekürzt mit “TUM” oder “KIT” (sprich: [kei ai ti]), als die hiesige Universität, entsprechend dem neuen Uni-Logo vielleicht künftig “UNIA” oder “UNA” (sprich: besser nicht), oder auch “UAU” (sprich: erst recht nicht) genannt. Dafür hat dieses Städtchen aber einen Charme, insbesondere dessen nähere Umgebung meines Domizils. Statt dem Villenviertel des Bopserwalds mit den dort zu sehenden Prunkbauten und -fahrzeugen besteht die Kulisse eines nächtlichen Spaziergangs aus der geradezu natürlich wirkenden Umgebung des Wertachufers, deren ruhige Lage und Beschaulichkeit, akustisch untermalt nur durch das plätschernde Wasser. Die Radwege schlängeln sich durch Schrebergärten, dort wo einst Eisenbahnschienen verliefen, hat die Natur wieder die Oberhand übernommen, nur die verbliebenen Bahnübergänge, an denen die Demontage nicht rentabel sind, sind stille Zeitzeugen einst geschäftigerer Zeiten. Wie die Bahn, so hat natürlich auch die Post ihre Filialstruktur konsolidiert, ein Paket holt man einem Fachgeschäft für Modelleisenbahnen ab, dessen (Neben/Haupt)einkommensquelle eine GLS-Filiale darstellt. Doch darin zu sehen auch ein Käufer einer Modelleisenbahn, ganz so wie man sich einen Modelleisenbahnkäufer vorstellt. Natürlich, hier und da, die Ausuferung der Uferromantik, man mag ihr einen lächelnden Blick zudenken, während man im Vorbeigehen, im Vorbeifahren, einen eiligen Blick von ihr erhascht, manch einer mag sie dabei sogleich zum Kitsch erklären. Wenn wir Milan Kunderas Definition von Kitsch als die Ausblendung des Moments der Defäkation aufgreifen, gleichzeitig im Spiegel lesen, dass mehr Entscheider und Top-Verdiener bei Bohlens Resozialisierungsprogramm “DSDS” zuschauen als Raabs Musikshows, so bleibt zu konstatieren, dass man sich hinter den glänzenden Fassaden der Bopserwaldvillen von der Umwandlung von Scheiße in Geld unterhalten lässt, insofern also tatsächlich keinerlei Kitsch zu finden ist.

Im Spiegel lesen wir auch von Türmen, im besonderen Kopftürmen oder Fernsehtürmen, ein haarfeiner Unterschied, den man keinesfalls leichtfertig ignorieren sollte. Man fragt sich, ob es Zufall ist, dass ausgerechnet die wissenschaftlichen Fakten rund um Türme das Potential für unvorstellbar öde Diskussionen haben, wie eben auch die Diskussion um die richtige Transkription des derzeit höchsten Bauwerkes der Welt, oder ob wir hier eine Variation der babylonischen Sprachverwirrung als Antwort auf die Hybris im Turmbau beobachten können. Jedenfalls ganz und gar nicht zu Verwirrung, sondern vielmehr zur Orientierung im noch unerkundeten Gelände rund um die Wertach verhilft mir der Augsburger Hotelturm. Ein Rundturm, denke ich, wäre die baulich korrekte Bezeichnung dafür, aber ich glaube, damit sind wir jetzt durch.