Stephanie Stahl hat mit “Das Kind in dir muss Heimat finden” eine wunderbare Anleitung geschrieben, wie mensch zu mehr innerer Balance und Harmonie gelangen kann, garniert mit vielen psychologischen Erkenntnissen. Die Kernidee besteht darin, sich all der Verletzungen aus der Kindheit und Jugendzeit bewusst zu werden, zu verstehen warum wir manchmal im Modus “Sonnenkind” und “Schattenkind” funktionieren. Manchmal verstehen wir auch die anderen Menschen um uns herum besser, wenn ihr Schattenkind wenig faszinierende Schutzstrategien anwendet.
“Das Schattenkind umfasst unsere negativen Glaubenssätze und die daraus resultierenden belastenden Gefühle wie Trauer, Angst, Hilflosigkeit oder Wut. Hieraus wiederum resultieren die sogenannten Selbstschutzstrategien, kurz: Schutzstrategien, die wir entwickelt haben, um mit diesen Gefühlen klarzukommen beziehungsweise um sie am besten gar nicht zu spüren. Typische Schutzstrategien sind zum Beispiel: Rückzug, Harmoniestreben, Perfektionsstreben, Angriff- und Attacke oder auch Macht- und Kontrollstreben.
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Manche haben aber auch eine Schutzstrategie entwickelt, die in der Fachsprache als »narzisstisch« bezeichnet wird. Das heißt, sie überkompensieren ihr labiles Schattenkind durch ein besonders selbstherrliches Auftreten, mit dem sie sich und anderen vormachen, dass sie die oder der Größte sind.
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Narzissten haben jedoch auch liebenswerte Seiten. Sie können ausgesprochen charmant, liebenswürdig und interessant sein. Einige sind geradezu charismatische Persönlichkeiten.
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Gehört der Partner des Narzissten hingegen eher zu den abhängigen Naturen, dann lässt er die Verbalattacken des Narzissten meistens ohne viel Gegenwehr über sich ergehen und ist fleißig bemüht, dessen Erwartungen zu erfüllen. Ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist, denn egal wie »artig« der Partner sich auch immer betragen mag, sein Verhalten ändert nichts an der Wahrnehmungsverzerrung des Narzissten. Diese Wahrnehmungsverzerrung besteht in der weitgehenden Ausblendung seiner eigenen Schwächen in Kombination mit einer lupenhaft vergrößerten Wahrnehmung kleiner und vermeintlicher Schwächen des Partners.
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Im Übrigen gehören – entgegen der landläufigen Annahme – nicht immer zwei dazu, wenn eine Beziehung nicht funktioniert. Wenn ein psychisch Gesunder zum Beispiel – bildhaft gesprochen – mit einem ausgeprägten Narzissten in einem Boot sitzt, dann wird es kentern. Das ist ein psychologisches Naturgesetz. Der psychisch Gesunde kann die Beziehung nicht retten – er scheitert an der verzerrten Wahrnehmung des Narzissten.”Stephanie Stahl – Das Kind in dir muss Heimat finden
Dass wir gegenüber Narzisst:innen und insbesondere den Menschen, die von ihnen erfolgreich in deren Bann gezogen worden sind, machtlos sind, das gehört zum Drama der Menschheit. Es liegt nicht an uns, über andere zu urteilen, ob sie sich in die Hände eines Narzissten oder einer Narzisstin begeben haben. Ich glaube, es wäre eine vollkommen falsche Vorstellung von Glück, wenn wir andere zu ihrem Glück zwingen. Wir können nach unserem eigenen Glück streben. Manchmal besteht meine ganz eigene Selbstschutzstrategie darin, mich vor narzisstischen Schutzstrategien durch sehr große Distanz zu schützen. Ist das nun eine faszinierende oder eher wenig faszinierende Strategie? Ich weiß es nicht, und werde es vielleicht auch nie wissen. Ich werde nicht aufhören, zu lernen, zu suchen und zu versuchen zu verstehen.