Wenig faszinierende Erkenntnisse 8 | Das Drama der Menschheit 3

26Mar
2014

Das ist doch kein Geheimnis
Nicht für dich und nicht für mich
Das Leben ist oft hart
Doch wir kämpfen – verlieren und gewinnen

Und endlich läuft es gut – schön das zu erlieben
Und während wir noch jubeln –
Hat jemand ‘was dagegen
Denn irgendein Arsch ist immer unterwegs

[…]

Alles war schon fast perfekt –
Unser Leben und unsere Liebe
Und dann kommt ein Parasit –
Spritzt sein Gift und macht sie krank

Tilo Wolff im Songtext “Irgendein Arsch ist immer unterwegs” aus dem Album “Revolution”, (Lyrics, Video)

Selbstkritische Betrachtungen 8 | Wenig faszinierende Strategien 7

22Feb
2014

All die Facetten des menschlichen Lebens, die etwas mit dem Schönen und Wahren zu tun haben, waren immer nur schwer in Einklang mit den Gesetzen des kurzfristigen Wettbewerbs um Aufmerksamkeit, Renomee und Marktanteilen zu bringen. Vielleicht am augenfälligsten erscheint dies bei der Wissenschaft, die in den Augen der Wissenschaftsverwalter als genauso messbar wahrgenommen wird, wie sie wahr sein sollte.

“Das Verhältnis karriereorientierter Wissenschaftler zur Wissenschaft entspricht dem von Prostituierten zur Liebe.”

schreibt Nassim Nicholas Taleb in “Antifragilität”. So sehr man ihm in der Glorifizierung der “Klassiker”, des lange schon bestehenden und sich bewährt habenden (all dessen, was sich als antifragil gezeigt hat), einen gewissen Reaktionismus vorwerfen darf: Um die Wissenschaftsverwaltung des 21. Jahrhunderts steht es nicht zum besten. Nicht, wenn ein Homöopathie-Bachelor kurz vor der Akkreditierung steht, gegen die aber auch kaum was mehr entgegen spricht, da es sich ohnehin nur um eine formale Prüfung handelt. Nach all dem gigantischen Aufwand für die Akkreditierung, die unter anderem sicherstellen soll, dass jeder der die Grundvorlesungen einer bspws. technischen oder formalen Disziplin gehört hat, auf mehr oder weniger demselben Wissenstand ist: Wenn auch die offensichtliche Scharlatanerlie mit den Messwerkzeugen der Wissensmessung nicht als Unsinn entlarvt wird, dann ist es Zeit für das logische “ex falso quodlibet”. Aus einem logischen Fehler folgen beliebige Fehler. Damit wage ich zu behaupten, dass der ganze Akkreditierungsunsinn (der nebenbei bemerkt eine große Menge Denkzeit begabter Wissenschaftler verschwendet hat) nicht viel wert sein kann, wenn soetwas dabei herauskommt.

Wenig faszinierende Strategien 6 | Antifragile Konzepte 1

05Jan
2014

“Information ist antifragil; sie wird nicht so sehr durch den Versuch stärker, sie zu befördern, als dadurch, ihr zu schaden. Viele vernichten ihren Ruf nur, indem sie versuchen ihn zu retten.”
Nassim Nicolas Taleb in “Antifragilität”

Man mag einwenden, dass genau das unter dem Streisand-Effekt schon hinlänglich bekannt ist. Hätte man dafür also den Neologismus der Antifragilität bemühen müssen? Tatsächlich treten verwandte Effekte, d.h. Systeme die auf Störungen nicht robust sondern selbstverstärkend reagieren, in allerlei Kontext auf, wie wir bei Taleb lernen können. Vielleicht hinreichend oft, dass sich dafür der neue Tag der antifragilen Konzepte lohnt, unter dem ich das ein oder andere von Taleb adaptieren werde; oder vielleicht würde er “plagiieren” sagen? Nun, auch die von ihm geschaffenen Ideen scheinen antifragile Informationen zu sein, die sich ganz von selbst verbreiten. Erbsenzählerei bei “fehlerhaften Zitaten” scheint mir ein eher fragilistisches Phänomen zu sein.

Selbstkritische Betrachtungen 7 | Das Drama der Theorie 1

02Jan
2014

Erfolgreiche Vertreter der Wirtschaft werden wahrscheinlich immer mit einem halb lächelnden, halb mitleidigen Auge auf die Theoretiker in den akademischen Gefilden blicken. Auch Dobelli zeigt sich in seinem – sehr lesenwerten – Werk “Die Kunst des klugen Handelns” nicht als Freund der Theoretiker:

“Wer hat den automatischen Webstuhl erfunden, die Dampfmaschine, das Automobil, die Glühbirne? Kein Theoretiker und kein offizielles Forschungslabor. Es waren allesamt Tüftler. Wir überschätzen die Intellektuellen, die Akademiker, die Theoretiker, die Schriftsteller, Autoren und Kolumnisten – und unterschätzen die Praktiker und die Macher. Ideen, Produkte und Fähigkeiten kommen vorwiegend durch Probieren und Abschauen zustande, weniger durch Nachlesen und Nachdenken. Nicht durch das Studium von Schwimmbüchern haben wir schwimmen gelernt. Nicht dank den Ökonomen haben wir eine Wirtschaft. Nicht die Lehrstühle für Politikwissenschaften halten unsere Demokratie aufrecht. Ich habe Sympathien für Terence Kealeys Ansicht: Nicht Universitäten führen zu einer prosperierenden Gesellschaft, sondern prosperierende Gesellschaften unterhalten Universitäten, weil sie es sich leisten können. Insofern gleichen Universitäten den Opernhäusern.”
Rolf Dobelli in “Die Kunst des klugen Handelns

Was bleibt den Theoretikern an Legitimation, fragt man sie nach ihrem Beitrag für die Gesellschaft – von der sie immerhin in aller Regel finanziert werden? Ein übergeordneter Wert der Theorie, ich nenne es gerne die “intellektuelle Ästhetik” die eine elegante, formale Formulierung mit sich bringt. So löst man keine Probleme, so schafft man eher neue Probleme einer gewissen artifiziellen Art, und doch: Auch die Opernhäuser kultivieren ihre Art der Ästhetik, die einem Großteil der Allgmeinheit nicht – oder nur zu einem sehr oberflächlichen Teil – zugänglich ist. Also lasst uns Theoretiker unsere Wissenschaft kultivieren, weil unsere Gesellschaft so weit ist und so sehr prosperiert, dass sie sich genau das leisten kann.

Sehr vereinfacht ausgedrückt: Warum beschäftigten sich die Theoretiker der Moderner mit derart praxisferner und enigmatisch notierter Theorie? Weil es geht.

Faszinierende Metastrategien 2 | Wenig faszinierende Strategien 3

15Dec
2012

Gegeben sei ein Konflikt zwischen zwei Diskutanten und wir nehmen an, dass für beide die gleichen rationalen Schlüsse bei gleicher Ausgangslage möglich sind. Weiterhin nehmen wir an, dass vollständige Information vorliegt, also das beide die gleichen für den Konflikt relevanten Informationen kennen. Unmittelbar stellt sich die Frage, wo nun noch überhaupt ein Konflikt bestehen kann: gleiche Ausgangslage, vollständige Information, perfekte Urteilskraft der Diskutanten – in der Multiagentenlogik folgt unmittelbar, dass beide Agenten (Diskutanten) für jedes gegebene Problem zum gleichen Schluss kommen müssten. Warum funktioniert das in der realen Welt zumeist nicht? Weil die “vollständige Information” und die “perfekte Urteilskraft” bei der Antizipation des Weltbildes des anderen aufhört. “Weltbild” schließt so viele Dinge, wie die gesamten Lebenserfahrungen, den politischen Standpunkt oder die ideologische Prägung mit ein. Dabei erkennen wir durchaus das Weltbild des anderen, also können wir es theoretisch zumindest als einfaches Modell rezipieren und “darin denken”, was bereits hinreichend sein kann um einen beliebigen Konflikt mit einem anderen Menschen mit dieser einfach Erkentnis aufzulösen:

Ich erkenne, dass dies in deinem Weltbild Sinn macht. Gleichzeitig ist es in meinem Weltbild Schwachsinn. Wir können an dieser Stelle aufhören, zu streiten, denn dieser Konflikt ist für unsere Bekanntschaft/Freundschaft/Zusammenarbeit nicht weiter relevant. Wir können die Antizipation des jeweils anderen Weltbildes (das durch einen lange Reifeprozess entstanden ist) als Bereicherung auffassen und darüber beizeiten nachdenken. Unser Weltbild wird sich sicherlich noch ändern im Laufe des Lebens. Vielleicht kommen wir dann in diesem Konflikt sogar irgendwann einmal zu dem gleichen Schluss.

Dies Fähigkeit, die ich umschreiben möchte mit “Weltbild-Antizipationsfähigkeit”, könnte das soziale Leben unter den Menschen um ein vielfaches friedlicher machen und selbst die Tatsache, dass in unserer Kultur Feindschaft besser als Freundschaft gedeiht, könnte mit einer Kultur der Weltbild-Antizipationsfähigkeit nivelliert werden; wir könnten friedlicher und freundlicher miteinander umgehen. Da diese Idee faszinierend ist und das Weltbild des anderen eine Menge von Strategien ist, nenne ich dies eine faszinierende Metastrategie.

Wenig faszinierend dagegen ist, dass diese Idee unter Begriffen wie Respekt und Toleranz seit Jahrtausenden in unserer Kultur gepredigt wird. Dabei sind diese Begriffe sinnleer, solange sie von Menschen gebraucht werden, die nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, einmal im Weltbild des Anderen zu denken. Stattdessen ist die Welt voller Weltbild-Missionare, Menschen die ihre Energie darin verschwenden, anderen Menschen ihr Weltbild aufzudrängen, man kennt das als politische oder religiöse Ideologien.

Wenig faszinierend ist auch, dass diese Strategie für den politischen Konsens nicht funktioniert. Ein politischer Konsens hat das Ziel einen möglichst großen gemeinsamen Nenner vieler Weltbilder zu finden und am Ende mit einem möglichst großen Minimalkonsens der Weltbilder aus der Debatte herauszugehen. Weltbild-Missionierung und Erklärung des gegnerischen Weltbildes zu einer schwachsinnigen Strategie sind hierbei die bewährtesten Methoden der politischen Debatte; Weltbild-Antizipation wird sich in diesem Bereich nie durchsetzen. Stattdessen geht es um den Streit um Meinungen und um Worte, zum dem Hermann Hesse in “Siddhartha” schreibt:

“Laß dich aber warnen, du Wißbegieriger, vor dem Dickicht der Meinungen und vor dem Streit um Worte. Es ist an Meinungen nichts gelegen, sie mögen schön oder häßlich, klug oder töricht sein, jeder kann ihnen anhängen oder sie verwerfen.”