Zitate 11 | Wenig faszinierende Erkenntnisse 6

10Jan
2013

“Glaub mir, es gibt keinen großen Schmerz, keine große Reue, keine großen Erinnerungen. Man vergißt alles, die große Liebe sogar. Das ist am Leben das Traurige und zugleich Passionierende. Es gibt nur eine gewisse Art, die Dinge zu sehen, und die kommt von Zeit zu Zeit an die Oberfläche. Darum ist es trotz allem gut, wenn man eine große Liebe, eine unglückliche Liebe in seinem Leben zu verzeichnen hat. Das gibt uns wenigstens ein Alibi für die Verzweiflung, die uns ohne Grund befällt.”

Albert Camus in “Der glückliche Tod”

Metastrategien 4 | Faszinierende Ideen 3

14Jul
2012

Eine Metastrategie, den Sinn des Lebens zu beantworten, besteht darin, die Wohldefiniertheit dieses Problems anzuzweifeln, wie es Houellebecq in diesem sehr lesenswerten Interview tut:

“HOUELLEBECQ: […] Es müßte eine neue Art Mensch erfunden werden. Vor hunderttausend Jahren hat sich die Menschheit genetisch sehr rasch entwickelt. Danach geschah bis heute fast nichts, weil die Kultur die Funktion des Fortschritts übernommen hat. Ich hätte nichts dagegen, wenn die genetische Evolution jetzt wieder beginnt. Die Menschheit müßte sich zu einer anderen Spezies fortentwickeln. Ich sehe keinen Grund, diese Möglichkeit auszuschließen.

Wie sähe diese Spezies aus?

HOUELLEBECQ: Das menschliche Gehirn müßte verändert werden, damit wir aufhören, nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Ich meine nicht, daß die Welt sinnlos ist, aber die Frage nach dem Sinn muß verschwinden, weil es darauf keine Antwort gibt.

[…]

Auguste Comte, auf den Sie sich gern berufen, hat die Menschheitsentwicklung in drei Stadien eingeteilt. Am Anfang steht das religiöse Stadium. Es folgt das metaphysische. Die Krönung ist das wissenschaftliche Stadium, in dem wir nun angekommen sind.

HOUELLEBECQ: Nein, da sind wir noch nicht angekommen. Wir befinden uns noch im metaphysischen Stadium. In das wissenschaftliche werden wir erst dann eintreten, wenn wir aufhören zu fragen, was hinter den Naturgesetzen steht. Wir sollten uns damit zufriedengeben, sie zu beschreiben.”

So wenig faszinierend auch Houellebecq´s Misanthropie sein mag – ist es nicht eine faszinierende Idee, dass der Mensch tatsächlich in der Lage wäre, eine neue Spezies seiner selbst zu entwerfen? Doch sollte diese Spezies keine Reflektionsfähigkeiten besitzen, nicht in der Lage sein, den Sinn ihrer selbst zu ergründen – ist damit nicht ganz objektiv ein Rückschritt erreicht, wäre ein solcher neuer Mensch nicht “echt weniger mächtig” als ein, über den Sinn seiner Existenz sinnierender Mensch? Und würde nicht zwangsläufig jedes Wesen, dass mindestens die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen aufbringt, auch über denn Sinn seiner selbst reflektieren? Könnte man also sogar in Analogie zur Church-Turing-These die folgende These aufstellen?

Die Klasse der intelligenten Wesen entspricht genau der Klasse der selbst-reflektiven Wesen.

Das zugegeben etwas abstrus; auch ist die “Klasse der intelligenten Wesen” wahrscheinlich kein sehr exakter Begriff, ähnlich wie die “intuitiv berechnbaren Funktionen”. Man könnte das ganze natürlich auch noch verknüpfen, in dem man postuliert:

Die Klasse der inuitiv berechnbaren Funktionen ist genau die Klasse der Funktionen, die von einem intelligenten Wesen berechnet werden können.

Na gut, jetzt reicht es für heute.

Evolutionäre Strategien 3 | Ende und Neuanfang 1

26May
2012

Von den letzten 10 Büchern, die ich gelesen habe, habe ich 8 auf meinem Tablet gelesen. Unter diesen 10 Büchern waren, neben der Biographie von Steve Jobs, darunter ausschließlich Autoren, von denen ich bereits mehrere Werke gelesen habe: Juli Zeh, Michel Houellebecq, Martin Suter, Gunter Dueck. Es gab also keinen Anlass dafür, einen Bücherladen aufzusuchen, ich wusste was ich suchte, und wurde online fündig.

Natürlich sind Bücherläden etwas wunderbares. Der Griff ins Regal, abseits der Tische auf denen sich die Massenware stapelt, zu Exemplaren, die nur ein, höchstens zweimal in dem Geschäft vorhanden sind, das Aufschlagen einer beliebigen Seite und das Lesen der ersten Sätze, gefolgt von der baldigen Feststellung, ob der Autor den eigenen stilistisch-sprachlichen Geschmack trifft.

Aber natürlich sind solche Einkaufstouren Ausnahmeerscheinungen, bei mir, bei anderen wahrscheinlich auch. Denn wer Bücher von Dan Brown oder auch von J.K. Rowling liest, braucht eigentlich noch viel weniger einen Bücherladen, als ein Jäger von Perlen. Gut, vielleicht braucht man noch ein Ladengeschäft, um davor zu zelten, wenn ein neuer Harry Potter Band erscheint, zugegebenermaßen wäre das bei Online-Shops etwas schwer möglich.

Dies werden sich die Manager von Thalia und co wahrscheinlich auch einmal so oder so ähnlich auch gedacht haben. Und sich gefragt haben, ob unter ihren Kunden nicht auch Menschen sind, die im Buchladen angekommen, feststellen, dass Lesen doch nicht so ihr Fall ist, und man stattdessen lieber irgendeinen esoterisch angehauchten überteuerten Krims-Krams brauchen könnten.

Da ist es zunächst einmal eine evolutionäre Strategie, die Diversifizierung der digitalen Konkurrenz gegenüberzustellen.

Mittelfristig wird das ganze klassische Verlags- und Buchhändlerwesen seinem Ende entgegengehen. Um hoffentlich einen grandiosen Neuanfang zu erleben, wenn die evolutionäre Strategie der Kulturgutraubvögel gescheitert ist, und man dem Kommunismus für Kulturgüter keine Träne mehr nachzuweinen braucht. Solange stehen wir mitten in dem Regen.

Selbstkritische Betrachtungen 3 | Lesenswertes 2

17Nov
2011

“Ich weiß, dass ich in den Augen der Zukünftigen eine lächerliche Figur bin. […] Die einzige Haltung, die garantiert jeder Revision standhält, ist vermutlich der Zweifel.”

 

“Jemand, der wirklich ein Querdenker ist, müsste heutzutage vielleicht für die Wiedereinführung der Monarchie eintreten. Er müsste an den heiligen Idealen der sozialen Gerechtigkeit, am Atomausstieg und an der Emanzipation zweifeln. Mit anderen Worten, er müsste bereit sein, sich vom Schwarm zu einem gefährlichen Irren stempeln zu lassen.”

Harald Martenstein in dem Artikel “Der Sog der Masse” in der Zeit.