Die Welt, deine Intellektuellen und der ganze Rest

13Oct
2008

Auch dieser Blogeintrag wird – wie in der Tendenz die letzten schon – mehr den Geschehnissen in der Welt gewidmet sein als meinen Erlebnissen im Süden Skandinaviens. Viel gibt es davon nicht zu berichten, ein paar kleine Uni-Kuriositäten wie Hausaufgaben, die einen Tag vor des bereits bekannten Abgabetermins noch nicht gestellt sind oder derartige Freaks im Funktionalanalysiskurs die nur Sekundenbruchteile nachdem der Professor eine Formel an der Tafel hat sich zu Wort melden: “I disagree to this!” Achja, was diesen Professor angeht, könnte man die heutige Pausenunterhaltung mit uns, einer Gruppe Studenter från Tyskland, durchaus erwähnen. Geführt auf Englisch, dann plötzlich von ihm “Lasst uns Deutsch sprechen, ich spreche so wenig Deutsch.”, die darauffolgende Frage von einem von uns – “Woher kannst du Deutsch?” (wohlgemerkt überträgt sich die schwedische Konvention des Duzens gleich welcher Person hier ins Deutsche) – die etwas überraschende Erklärung, er habe sogar die deutsche Staatsbürgerschaft, auch wenn er gebürtiger Rumäne sei. Insofern besteht mein derzeitiger Dozentenstab also aus einem Rumänen, einem Deutschen, einer Spanierin und – hätte das noch jemand für möglich gehalten – einem Schweden.

Weniger international sind die gemeinsamen Koch- und Videoabende von uns Tyskländern hier – dafür umso erfolgreicher, als auch die selbstgemachte Pizza ein voller Erfolg für unser Erstlingswerk wurde. Der letzte Film “Little Miss Sunshine” bot jedenfalls wesentlich mehr Unterhaltung als Intellektuelles. Fernsehen und intellektueller Anspruch – dieses scheinbare Paradoxon bringt mich sogleich zum nächsten Thema: Marcel Reich-Ranicki´s Verhohnepiepelung des deutschen Fernsehpreises. Kurz war ich versucht etwas wie “streitbarer Auftritt” zu schreiben, ehe mir einfiel welch treffenderes Wort es im Deutschen es dazu gibt. Aber streitbar kann man diese Kritik kaum nennen, jedenfalls nicht an, wenn er von den in dieser Weise Kritisierten jede Menge Applaus bekam, der sich vielleicht weniger auf Respekt mit einem großen Literaturkritiker und Literaten, einem alten dazu, gründete, als vielmehr auf die Annahme der von Gottschalk ausgestreckten Hand zum Friedensschluss. Das war dann natürlich Spiegel-Chefpolemiker “Henryk M. Broder” nicht genug, sondern viel zu wenig, um ein Fanal zu setzen gegen die Verdummung der Gesellschaft durch die Medien. Aber was wäre das für eine Streitkultur in diesem Land, wenn man – nachdem man schon seine Anschuldigungen gekonnt platziert hat – ein Angebot zum Friedensschluss aus Prinzipgründen ausschlagen sollte? Was wirklich spät kommt, ist Elke Heidenreichs trotzige Trittbrettaktion “Schmeißt mich jetzt raus”. Wann hätte eine jener Intellektuellen wie sie, die sonst keinen Zugang zur ersten Reihe der Medienöffentlichkeit bekommt, eine Publicity wie jetzt dafür bekommen? Die ganze Aufregung ist viel zu viel – in einem Land, in dem die Medienfreiheit hinreichend gut funktioniert, bekommt jedes Volk die Medien die es verdient. Ob moderner Voyeurismus oder Heile-Welt-Träumerein – es wird für alles einen Markt geben, und jede Art von text- oder bewegtbildvermittelter Information wird jeder einzelne so nutzen wie er dazu in der Lage ist, oder kurz und eigenwillig (und polemisch): Das Fernsehen macht die Dummen dümmer und die Klugen klüger. Ich will nicht in eine Abhandlung über Medien verfallen, dass überlasse ich gerne anderen (wie ein Prof in einer Vorlesung über formale Sprachen einmal sagte, als er auf das Thema natürliche Sprachen kam: Das überlassen wir mal anderen Fakultäten), nur ein kurzer Schlusskommentar zu Marcel-Reich-Ranicki´s Kritik: Ein aus meiner Sicht nicht besser zu machender Kompromis aus berechtigter Kritik und der nötigen Friedfertigkeit, sich die Hände zu reichen und tatsächlich etwas ändern zu wollen, anstatt schmollend sich zurückzuziehen und nichts als ein arrogantes “Mir reichts mit euch Deppen” zurückzulassen.

Etwas ähnliches hatte vielleicht auch Mr. Dax im Sinn, der nicht nur die Chancen 70:30 prognostizierte, dass das “uns der ganze Laden um die Ohren fliegt” sondern auch zu “einem kleinen Dankensbrief an die Börsenbriefschreiber, die seit Jahren sagen, das ist nur eine kleine Delle, sitzen Sie es aus…” aufrief. Er scheint Lügen gestraft zu werden, schaut man sich die heutige Entwicklung an – doch was ist das für eine Nervosität auf den Märkten bei Bewegungen von 10% nach oben oder nach unten – was meinte Yunus dazu? “Der Kapitalismus ist zum Spielcasino verkommen“. Der Unterschied zwischen Börsenparket und Casino ist nur: Bei letzterem gewinnt die Bank immer.