Faszinierende Strategien 17 | Wenig faszinierende Erkenntnisse 4

17Oct
2012

Eine faszinierende Erfolgsstrategie im Rahmen der parasitären Symbiose von a) des kleinen Mannes, der kleinen Frau, des_r besorgten Mitbürger_in und b) der etablierten Arroganten, oder arroganten Etablierten, respektive, besteht in der aufmerksamen Analyse einer zur Erlangung eines akademischen Grades notwendigen Abschlussarbeit, dessen Relevanz für das Zeitgeschehen, die Tätigkeit des Verfassenden und die Allgemeinheit an sich, noch zu zeigen, noch zu beweisen wäre, sowie der anonymen, schwarmintelligenten Propagation eines zeilulösen Gutachtens, ganz im Dienste der Wissenschaft; schließlich war es zu deren Fortschritt willen, das vor lange zurückliegender Zeit das Archiv einer Universität um ein paar Hundert Seiten Blattwerk, angesiedelt zwischen Rekombination, Reinterpretation, Reorganisation – aber nicht Plagiarismus! – berreicht worden ist, dort gut behütet, niemals von irgendjemanden zur Kenntnis genommen, bis nun, zum heutigen Tage, als sie nun kamen, sie, die das Blattwerk nun erstmals akribischst unter die Lupe nahmen – ja wer? Die Schwarmintelligenten!

 

Faszinierende Strategien 16 | Faszinierende Moderatoren 1

06Oct
2012

Dieses Blog sollte immer unpolitisch bleiben. Ich weiß nicht wie sehr mir das gelingen kann, als jemand, der jeden Tag mindestens drei Stunden lang auf mindestens drei verschiedenen Nachrichtenportalen politische Artikel liest; aber wenigstens versuche ich es. Denn wer politisiert, der muss zwangsläufig auch polarisieren, sich weit in eine Richtung neigen um die schwerfällige Mitte ein ganz klein wenig in die gewünschte Richtung ziehen zu können. Wie die Gewerkschaft, die 15% mehr Lohn fordert, im sicheren Wissen, dass der Betrieb dann pleite ging; aber sich schließlich mit 3% nach langen und zähen Verhandlungen zufrieden gibt. Dies sind Erfolgstrategien, ohne Frage, aber es ist wenig faszinierend wie sehr man sich damit auf das Feld der Feindschaft und der Gegnerschaft begibt.

Vielleicht deswegen gefällt mir Roche&Böhmermann so gut: Weil diese Talkshow im besten Sinne unpolitisch ist. Natürlich waren schon oft Politiker eingeladen; da war Marina Weisband, die so schön ist, dass es auch bei viel gutem Willen schwer fällt, sich auf die Inhalte ihrer Politik zu konzentrieren. Auch Boris Palmer war schon da, ein Kommunalpolitiker, der im Stuttgarter Bahnhofsstreit Bekanntheit erlangte. Doch wer versucht zu politisieren in dieser Talkshow, dem wird durch die ironische Distanz eines Jan Böhmermann jeglicher Wind aus den Segeln genommen. Das, was noch an Fahrt übrig bleibt, das wird spätestens mit Charlotte Roches naiven und lieb-lächelnd vorgetragenen Fragen absorbiert. Genau dafür ist sie mir so unglaublich symphatisch. Sie sagt einfach, was sie denkt, egal ob es gerade ein wenig kindlich klingt oder fast schon zu viel sexuelle Explizitheit für eine “zdf.kultur” Sendung an den Tag legt. Auch den sonst so aalglatten Markus Lanz hat man noch nie so symphatisch erlebt, wie als Gast bei Roche&Böhmermann, als der zu Charlotte sagt:

“Das Subversive, was ihr hier so verströmt – ich mag das! Und ich mag es auch, mit dir über Sex zu reden, das gefällt mir.”
Sendung vom 2. September, 27:50

Im Grunde genommen ist nichts an dieser Sendung im klassischen Sinne intellektuell und doch gleichzeitig voller intellektueller Anspielungen. Die Sendung ist ein Lehrbeispiel wie gelungene Rethorik abseits des Politischen funktioniert; oder auch nur Gestik, so wie “Playboy” Rolf Eden in der Sendung vom 23. September, auf die Abschlussfrage an jeden Gast, mit welchem anderen Gast er gerne schlafen würde, wortlos mit einem nüchternen Fingerzeig auf die (zugegebenermaßen sehr attraktive) Jeanine Michaelsen antwortet. In dieser Melange aus ironischer Distanz, glaubwürdiger Naivität und ein wenig tatsächlicher Subversivität, da ist nur jemand wie Christopher Lauer von den Piraten fehl am Platz, so wie in der Sendung vom 30. September. Einerseits ist er für einen modernen Politikertypus ein durchaus sympathischer Vertreter – still, intellektuell, ernsthaft. Gleichzeitig versagt er auf ganzer Linie dabei, die Ironie dieser Sendung zu verstehen; geradezu beleidigt konstatiert er irgendwann “Jan, du machst hier den Kasper!”. In der Rolle als kettenrauchender Beobachter, der das Geschehen kritisch verfolgt und sich gleichzeitig dazu bekennt, die Sendung zu mögen da mag man ihn auch. Doch Charlotte kann man gut verstehen, wenn sie sagt, dass die Stimmung in dem Raum runter geht, wenn Christopher Lauer das Wort ergreift. Irgendwie ist es tatsächlich unterhaltsamer, wenn Charlotte über männliche Brustbehaarung spricht als wenn Christopher Lauer diese Sendung versucht zu politisieren.

Was lernen wir daraus? Gute Talkshow-Unterhaltung muss nicht intellektuell sein, es reichen ein paar intellektuelle Gäste und eine Sprunghaftigkeit der Moderatoren, die jede politische Debatte recht schnell im Blickwinkel der ironischen Distanz als lächerlich erscheinen lässt.