Über die mangelnde Antizipierbarkeit der Zukunft

29Feb
2012

Ich bin ein Mensch der nicht gerne die Zukunft plant. Das hat nichts mit einer etwaigen zukunft-kritschen pessimistischen Grundeinstellung zu tun, denn im Grunde bin ich ein, für die heutigen Verhältnisse, grenzenloser Optimist. Während sich heute selbst die Kosmopoliten schreckliche Sorgen machen über Klima, Finanzen und Kriege – die ja längst globale, damit den Weltbürger auch betreffende Folgen, haben – bin ich sehr zuversichtlich, dass es den Menschen in 100 Jahren insgesamt besser gehen wird als heute und sich niemand unsere jetztige Zeit zurückwünschen wird. Die Wissenschaft und Techik, die Gesellschaft und auch der Mensch – alles wird sich weiterentwickeln, und zwar – folgt man dem langfristigen Trend der Menschheit – sehr zum Positiven. Die Frage ist: Wie wird es sich weiterentwickeln?

Der Laplacesche Dämon ist eine theoretisch-abstrakte Aussage darüber, dass es unmöglich ist, die Zukunft vorauszuberechnen. Ein Computer, der allein aufgrund des gesamten bekannten Zustands des Universums den nächsten Zustand berechnen wollte, würde dazu mindestens solange brauchen, bis dieser Zustand eingetreten ist. Eine faszinierende Aussage, gleichzeitig aber weitgehend irrelevant für unser tatsächliches Leben: In der Tat scheinen in unserem Leben viele Determinismen zu stecken, zum einen natürlich Recht und Verwaltung, aber natürlich auch die Naturwissenschaft: Für den Alltag spielt die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie scheinbar keine Rolle, die Determinismen einfacher Mechanik begegnen uns im Alltag dagegen ständig. Selbst in unseren persönlichen Entscheidungen bilden wir uns ein, nach festen Regeln und Gesetzen zu handeln, unsere Erfahrungen, unser Weltbild mit seinen Werten und Moralvorstellungen, geben uns hier ein Handlungsmuster vor.

Warum also sollte nicht auch der Lauf der Dinge, die Entwicklung der Wissenschaft und Technik, der Politik und Gesellschaft nicht einfach vorhersagbar sein, wenn das große Ganze doch nur eine Konsequenz vieler kleiner Bausteine ist, die man als begabter Analytiker nur richtig zu kombinieren hat? Weil es noch nie funktioniert hat. Man schaue sich einmal “Zurück in die Zukunft II” an – wie sich die Macher dieses Films im Jahr 1989 das Jahr 2015 vorgestellt haben. Fliegende Skateboards, Mini-Pizzas, die nach “Hydration” plötzlich groß werden – aus heutiger Sicht sieht es aberwitzig aus, was man sich damals ausmalte. Nun gut, so ein Film hat keinen objektiven Anspruch sondern spielt mit Klischees im Sinne der Unterhaltung. Aber lesen wir einmal in Rolf Dobellis (im übrigen sehr empfehlenswerten) Buch “Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen”. Beim “Rückschaufehler” zitiert er aus den Tagebüchern seines Großonkels:

“Hier rechnen alle damit, dass sie [die deutschen Besatzer in Frankreich im 2.ten Weltkrieg] Ende des Jahres wieder abziehen. Das bestätigen mir auch die deutschen Offiziere. So schnell, wie Frankreich gefallen ist, wird England fallen. Und dann werden wir endlich wieder unseren Pariser Alltag zurückhaben – wenn auch als Teil von Deutschland.”

Ein Zukunftsszenario, dass zum damaligen Zeitpunkt vollkommen logisch schien, erweist sich in der Rückschau als vollkommene Fehlprognose. Dobelli führt weiter aus, wie die Wirtschaftskrise seit Ende 2008 von kaum jemanden geahnt wurde, aber im Nachhinein als vollkommen logisch stringente Geschichte erklärt wird.

Es scheint im Menschen ein tief verwurzeltes Bedürfnis zu geben, den Verlauf der Geschichte als logischen roten Faden erklären zu können – und daraus scheint auch die Anmaßung zu entstehen, man könnte die Zukunft antizpieren. Dabei sind es doch gerade die immer neuen Überraschungen, die das Leben so spannend machen.