Über epische Fehler

26Jan
2011

Der Titel dieses Eintrags ist eine zugegebenermaßen eigenwillige Übersetzung des Begriffs “epic fail” – im Netzjargon ist “fail” zunächst zu verstehen als ein offensichtliches Misslingen, im Allgemeinen wohl ein Misslingen, dass aus einer mehr oder minder intendierten Aktion erfolgt und sich nicht auf ein reines Versehen gründet. Beispielsweise wäre ein durch morgendliche Amotorik verursachtes Kaffee-Verschütten wohl eher ein einfaches Versehen, während die Zugabe von Salz statt Zucker in selbigen schon einen ganz soliden “fail!” darstellt, erst recht das hastige Trinken des brühend heißen Getränks mit anschließender Verbrennung der Zunge, was dann schon fast in Kategorie “epic fail” fällt. Dies bezeichnet vereinfacht gesagt eine Steigerung dessen, unwesentlich verklausulierter: Das intendierte Ergebnis und das tatsächliche Resultat weichen weit voneinander ab, und einem neutralen Beobachter der Situation wäre unmittelbar aufgefallen, dass sich mit der geplanten Aktion das beabsichtigte Ziel ganz und gar nicht erreichen lassen wird. Ein nicht ganz ungeeignetes Beispiel aus der aktuellen, lokalen Tagespresse für einen solchen epischen Fehler ist das im Artikel “‘Links halten’: Frau bleibt auf Überholspur stehen” berichtete Geschehen.
Letztlich hat das Berichten über solche (epic) fails vor allem das Ziel der Schadenfreude – die ja bekanntlich die schönste aller… ach ne, das ging ja anders. Zumindest entstand so der Failblog, der nicht viel anderes zum Ziel hat, über solch mehr oder weniger intendierte Weise entstandene Peinlichkeiten zu berichten, die Bild-Leser-Reporter-Sparte (nein, die wird jetzt nicht verlinkt), hat da wohl ähnliches vor.
Lange Vorrede bis hierhin, eigentlich wollte ich ganz un-schadenfroh, sondern vielmehr selbstironisch, über einen “epic fail” berichten, den ich zuletzt hinbekommen habe. Dem geht voraus, das ein Stück Baguette geradezu ungenießbar hart geworden ist – nein, das ist kein epic fail, nichtmal ein fail, sondern vielleicht gerade mal etwas (für einen Studenten völlig normale) Desorganisation. Aber die mir daraufhin kommende Idee, es ist Sonntag Nachmittag, das Wetter ist schön (wenn auch kalt mit Temperaturen um die 0°), raus wollte ich ohnehin – warum nicht das vertrocknete Brot mitnehmen und die Enten füttern gehen? Ja, diese Idee war wohl, man könnte sagen: episch dumm.
[08 Feb, Kleiner Zusatz] Der nächste epische Fehler war wohl meine etwas irrige Schlussfolgerung, dass man zur derzeitigen Jahreszeit generell nicht mit Enten an Seen in diesen Breiten rechnen kann – was aber durchaus der Fall ist, wie ich mir habe sagen lassen, jedenfalls an durchgehend eisfreien Seen. Bei dem anvisierten See (= Uniteich) stellte sich jedenfalls durch die einmalige (um nicht zu sagen: solitäre) Beobachtung heraus, dass dieser nicht durchgehend eisfrei ist und gleichzeitig keine einzige Ente sich darauf oder auch nur in dessen Nähe verirrt hat.

Eine künstlerisch-politisierende Annäherung an eine Rückschau

14Jan
2011

Es ist ein Gebot der Stunde, ein längst überfälliges noch dazu: Eine alljährliche rückblickende Jahresrückschau, ein Schlussakkord, ein versöhnliches Resümee für das vergangene Jahr zu verfassen.
Ich tue mich schwer mit Rückschauen. Ich glaube das liegt in erster Linie daran, dass ich ein überhaupt nicht rückwärtsgewandter Mensch bin. Hm, ich überlege gerade, ob dieser Satz bei einigen Lesern dieses zur politschen Kolumne evolvierten Blogs Stirnrunzeln auslöst… wie auch immer, in persönlichen Dingen neige ich weder dazu zurück noch nach vorne zu schauen, es gibt ein hier, ein jetzt – alles andere ist unnötiger Ballast, den man sich am besten fern hält.
Ach wie schön wäre das. Immer wieder holt sie uns ja doch wieder ein, unsere Vergangenheit. Ich begann dieses Jahr bei einem Automobilzulieferer in einer mittlerweile von heftigen Protesten erschütterten schwäbischen Metropole. Ja schade eigentlich, dass ich nicht mehr dort bin, sonst hätte ich natürlich die einmalige Situation genutzt auch mal an einer Demonstration teilzunehmen (es sei angemerkt, dass regelmäßig Kundgebungen pro Stuttgart 21 stattfinden – die allerdings für die Medien mangels Krawall und Remmidemmi von nachgeordnetem Interesse waren). Ach jetzt bin ich schon wieder am politisieren. Und gar nicht am rückschauen. Gut was gibt es rückblickend über meinen temporären Arbeitgeber zu sagen? Das ganze Ausmaß des… ach nein, so spricht man nicht über ehemalige Arbeitgeber, das lernt man doch auf Seite 1 im Karriere-Knigge! Und, ganz ehrlich: Es kommen hin- und wieder die Momente, wo ich mich danach zurücksehne. Natürlich, ich gehöre da nicht hin, und wenn, dann als Praktikant, als der man sich die Freiheit nehmen kann, die Alteingessenen auf jene Weise vor den Kopf zu stoßen, indem man etwas besseres in kürzerer Zeit macht.
Dann der fließende Übergang ins letzte Semester, das Ende des Studiums. Das Ende – oh Schreck. Jetzt würde sie theoretisch da draußen warten: Die freie Wirtschaft, die Herausforderungen verspricht; oder doch eher challenges? Wo man erstmal im AC landet. AC? AC! Dann vielleicht in ein Traineeprogramm? Vorbereiten für eine steile Karriere im leadership? Natürlich werden Incentives ausgelobt! Und das ganze network, die business contacts! Alles nicht zu verachten! Und dann? Dann können Sie beruhigt hier im Hafen sitzen…
Das nächste Stirnrunzeln beim Leser? Ich zitiere Böll? Ich, der regelmäßig die Achse zitiert, und wenn nicht, dann hatte vielleicht jemand wie Broder oder auch ein Herr Fleischhauer, wie sie gerade ihr Unwesen in Artikeln in SpOn oder der Welt treiben. Aber Heinrich Böll? Wenn schon Literaten, dann vielleicht Kundera, einen der Desillusionierten, oder vielleicht noch besser Houllebeque, einen der radikalen Desillusionierenden.
Nun, an dieser Stelle ein weiteres Geständnis: Ich habe in diesem Jahr zwei Bücher von Juli Zeh gelesen, und das mit großer Begeisterung – auch zuletzt das neu herausgekommene “Corpus Delicti”. Und ich kann es jederzeit weiterempfehlen. Es bleibt zu hoffen, dass solche Größen der Literatur eben jener möglichst lange erhalten bleiben, in dem sie vor allem einen Fehler nicht machen: Einen Schritt in die Politik. Die Kunst darf alles, die Kunst darf anklagen, romantisieren, illusionieren, träumen – die Kunst darf auch eine pinkelnde Petra darstellen. Kitsch fällt natürlich nicht unter den Kunstbegriff; doch unter der Annahme menschliche Ausscheidungen nicht näher zu differenzieren: Wenn man die Kitschdefinition von Kundera zugrundelegt, die “Abwesenheit der Defäkation”, dann ist Petra eben gerade kein Kitsch. Demnach auch kein Kitsch ist dieser Sktech.