Von Archiven zu Monaden

15Dec
2009

Als ich zuletzt darüber sinnierte, was sich den als Gegenstand anbieten würde für diesen Blog, etwa als Gegenstand der Persiflage, da fiel mir der Nicht-Satz “Dieser Beitrag ist Teil einer Themenseite” ein – geneigte SpOn Leser wissen, was ich meine – und nun wurde ich von der Realität eingeholt. Ein kleines unmerkliches Detail, könnte man meinen, doch die Suche nach einem “Beweis”, dass noch vor kurzem wirklich jeder SpOn-Beitrag gebetsmühlenartig mit dieser Phrase begann, fördert Interessantes zu Tage: Das Archive.org weiß nichts mehr über SpOn seit Mitte 2007, der Google Cache merkt sich auch nicht was die Nachrichtenseite so publiziert hat. Nun, man scheint zu wissen warum, wenn man immerhin die Nachrichten aus dem eigenen Hause liest. Naja, es gibt ja noch etliche andere Archive, in denen für den gegebenen Notfall alles gespeichert wird, auf Anweisung und unter ständiger Kontroller derer, die natürlich in vorauseilendem Gehorsam und in vollster Sorge um den Schutz von Bürgern vor den bösen Mächten der Finsternis dieses Gesetz auf den Weg gebracht haben – gemeint ist die Vorratsdatenspeicherung, deren Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht bevorsteht. Aber so Archive haben ja auch was praktisches, wenn man schnell mal vergessen hat, was man Telefon erzählt hat, dann bestellt man eben schnell mal den MP3-Mitschnitt.

Bei der Suche nach dem “Beweis” für angesprochenen “Nicht-Satz” lande ich bei einem weiteren umstrittenen Rechtsfall – ausgerechnet aus meiner “Studienheimat”. Bald, da wird sie mich wieder haben, und mit ihr auch die theoretische Informatik, dazwischen sind nur noch Weihnachten und dann noch ein paar Monate. Klingt fast schon wie Monade.

Neuphemismen

03Dec
2009

Passend zu der “Neuformulierung” aus dem letzten Eintrag hört man aus den politischen Nachrichten von einer “Neubewertung”, in einem nicht weniger euphemistischen Sinne ausgedrückt. Analog könnte man es, um einen weiteren (N)Euphemismus zu bemühen, als Neureaktion bezeichnen, wie die Unis nach und nach die besetzten Hörsäle räumen lassen – obwohl die Unileitungen durchaus Gesprächsbereitschaft signalisierten. Diese Aktionen haben mein Verständnis – und damit meine ich nicht die “Aktionen” von studentischer Seite. Keine Frage, im Bologna Prozess ist einiges schiefgelaufen. Z. B. der Kompetenzreichtum des “CHE”, nichts anderes als eine privatwirtschaftliche Organisation, die mit Aufgaben betraut ist, die meiner Ansicht nach in hoheitliche Hand gehören. Liest man einmal quer durch den “Aufruf” des bundesweiten Bildungsstreiks, so findet man den “Neu-“-Wörtern durchaus ebenbürtige verschleierende Darstellungen. “Selbstbestimmtes Lernen und Leben” ist eine tolle Sache, und ich glaube niemanden steht der Weg zu Massenmedien oder Bibliotheken versperrt, über die man so selbstbestimmt wie man selbst dazu fähig ist, sich Informationen und Bildung aneignen kann. Dass das Bewältigen von Leistungs- und Zeitdruck inhärenter Bestandteil der Fähigkeiten ist, die wir im Studium lernen, um unserer erlerntes Wissen in dieser Welt (vielleicht sogar der bösen Wirtschaft und in den ganz bösen freien Märkten…) auch anwenden zu können, muss für Studenten von Fächern, die unter “Studieren für die Arbeitslosigkeit” laufen, etwas ganz neues sein.  Für eine Verbesserung der Ausbildung zu demonstrieren, in dem man Wände beschmiert und die Einrichtung beschädigt ist jedenfalls ein interessanter Ansatz.

Manch einer mag da herauslesen, dass der Dunstkreis der Wirtschaft auf mich Einfluss genommen hat, dass ein naturgemäßer Skeptiker hier bemerkenswert unskeptisch dem gegenüber steht, was Privatwirtschaft und freie Märkte fabrizieren. Dies mag im Allgemeinen stimmen, es mag für die Menschheit, für das Zusammenleben und das Fortbestehen derer das beste sein, die Märkte ihren eigenen Regeln zu überlassen; für mich persönlich mag es das interessanteste sein, in die tiefsten logischen Prinzipien einzutauchen, die die Grundlage aller Technik bilden, auch wenn die Techniker davon selbst nichts wissen (brauchen). Eine Wissenschaft, deren Anwendungen konstruiert erscheinen, die zunächst ein Selbstzweck scheint, steht im Grunde genommen vor dem Problem der vollkommenen Inhaltsleere; und hat doch als großes Fernziel, als sehnsüchtigen Wunsch, den größten vorstellbaren Inhalt: Das universelle Verständnis von (fast) allem, wiedergegeben in einer formalen Sprache. Diesen Wunsch vermitteln auch die ersten Seiten (über die ich noch nicht hinaus bin) von Hesses Glasperlenspiel.

Die Neuformulierung der Welt

15Nov
2009

Es ist ein wenig still geworden hier, bald schon ist Weihnachten, bald schon jährt es sich, dass dieser Blog fern der Ferne weiterexistiert, das Medium Blog nicht nur der kumulativen Information der daheimgebliebenen dient, sondern auch eine eigene, eine unabhängige Existenz, ganz wie die Formeln des Physikers Heinrich Hertz:

“Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass diese mathematischen Formeln eine unabhängige Existenz und eine eigene Intelligenz besitzen, dass sie gescheiter sind als wir, ja sogar gescheiter als ihre Entdecker, dass wir mehr aus ihnen errechnen, als wir ursprünglich hineingelegt haben.”

Eine sehr eigene Intelligenz scheinen auch jene Wissenschaftler zu haben, die die “Verkehrte Welt”-Theorie aufstellten oder gar immer noch vertreten. Rein mathematisch gesehen scheint mir daran allerdings so gar nichts verkehrt zu sein – man wende die Inversion am Einheitskreis auf das gesamte Universum mit der Welt als Einheitskreis an, und verwende als Raumgeometrie nicht die euklidische Metrik, sondern die Metrik, die sich aus der euklidischen Metrik durch Inversion ergibt, und alles ist wieder in bester Ordnung.

Wäre dieser Satz auf einer Schautafel in einem Musuem, wären 99.9% der Besucher nach dem ersten Viertelsatz vermutlich weitergegangen. Ganz im Gegensatz dazu dieser Satz, der Kulturstaatsminister Neumann wohl besonders auffiel:

“Neue Gesetze über Staatsangehörigkeit und Zuwanderung schufen erst seit der Jahrtausendwende die neuen Rechtsgrundlagen. Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die Festung Europa soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.”

Die letzten beiden Sätze hatte Neumanns Büro neuformuliert durch

“Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert seitdem staatlicherseits die Integration von Zuwanderern in Deutschland.”

Gab es da nicht mal ein Gesetz, das soetwas verhindern sollte? Ein Artikel im Grundgesetz der ungefähr so lautet wie “eine Neuformulierung findet nicht statt”? Dementsprechend sollte man die Metrik und Geometrie des Universums vielleicht auch besser nicht aufwendig neuformulieren, mit dem Resultat, dass alle beobachtbaren Ereignisse danach exakt denen zuvor gleichen – schließlich geht es dort um  Mathematik und Physik, und nicht etwa um Politik.

Von Wellen und Brücken

02Oct
2009

Nun sind wieder einige Wochen vergangen, seit ich das letzte Mal die Geschehnisse des Lebens im Allgemeinen, der Welt im Speziellen oder gar Dinge, die mich selbst betreffen, kommentiert habe. Was ist schon viel geschehen in der Zwischenzeit? Eine Wahl hat es gegeben, bei der eine Partei es aus dem Stand von 0 auf 2% schaffte. Was das für die Sitzverteilung bedeuten würde, würde man die Sitze nach dem prozentualen Zugewinn verteilen! (Was das dann für die SPD bedeuten würde!) Wie auch immer, so ganz uninteressant ist es ja nicht, wie die Partei, die man selbst gewählt hat, in den Augen der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird:

Eine Passantin am Stand der Piratenpartei: “Ihre politischen Ziele finde ich in Ordnung. Aber das vor Somalia sollten Sie echt lassen!”

Statt in den Wellen vor Somalia sei Google Wave an der Hypeküste gestrandet, so meint SpOn Netzwelt. Ich habe zwar keinen Testzugang für das Programm, habe aber zumindest das Präsentationsvideo dazu angesehen. Als jemand, der all den neuen Zeit-Totschlag-Möglichkeiten wie Facebook, Twitter, etc. ziemlich ignorant gegenübersteht, war Wave doch etwas, was mich von der Idee und vom Konzept auf Anhieb begeisterte. Der Einwand, dass die zwischenmenschliche Kommunikation sich eben nicht in einer Wave abbilden lässt, dass wieder einmal sich der Mensch der Technik anpassen muss und nicht die Technik sich dem Menschen anpasst, mag gerechtfertigt sein, aber: Ist unsere heutige Form der Kommunikation, der Vernetzung, der Kollaboration nicht erst als Produkt der Technik entstanden? Ein Art des Austauschs von Informationen, der Bereitstellung und des Abrufs von Informationen, die wir erst dadurch erlernten, indem wir mit den zugrundeliegenden technischen Erfindungen umgehen lernten?

“Wir leben technisch, der Mensch als Beherrscher der Natur, der Mensch als Ingenieur, und wer dagegen redet, der soll auch keine Brücke benutzen, die nicht die Natur gebaut hat.” (Max Frisch in “Homo faber”)

Städte, im Werden und Sein begriffen

07Sep
2009

Von meinem letzten Domizil in der zweitältesten Stadt Deutschlands, in der ich auf meinem täglichen, 1.6 km langen,  Weg zur Universität, erst das Neubaugebiet in Augsburg Göggingen Süd passierte, das den Charme des Unfertigen, im Werden Begriffenen, oder eben jenen viel zitierten Zauber des Anfangs innehat, mit den vielen leeren Grundstücken neben modernen Mehrfamilienhäusern, die Pflanzen gleich, mal da und mal dort, aus dem Boden sprießen, dazwischen  kleine Ladenstraßen, als hätte ein Kind mit Legosteinen sich einfach den ihm passendsten Platz auf einer großen Bauplatte gefunden; ja von dieser beschaulichen Umgebung bin ich nun gegangen in das Herz einer wirklichen Großstadt, die hinter klassischen Altbaufassaden in der Innenstadt sehr modern und geschmackvoll eingerichtete Wohnungen verbirgt (was zumindest meine subjektive Sicht meiner Wohnsituation angeht); eine Stadt die mir auf dem täglichen Weg durch ihr Verkehrsnetz nicht, wie in Augsburg, einen Biobauernhof nebst einer nahezu sinnlosen Fahrradampel bietet, sondern die Glasfassaden großer Konzernzentralen, aber auch die eintönige Schwärze der Röhre des Heslach-Tunnels. Ich will jetzt nicht sagen, was mir lieber ist, welche Gesamtsituation es ist; nein, ich weiß nur, könnte ich mir einen Wohnort aussuchen würde ich an jener Stelle, wo viele andere vielleicht eher eine Strandbucht in Hawai angeben, die Berge wählen – unbebaute Berge, versteht sich, bebaute habe ich vor mir, mit nicht zu unterschätzenden Anstiegen. Im Übrigen auf diese Weise ein durchaus geeignetes Terrain zum Joggen, die Berge hinauf, und wieder hinunter, sogar der nächste Wald ist keine 5 Bergjogging-Minuten entfernt; die ständige Nähe zum Grün, eine der äußerst angenehmen Ortsinvarianten in Stuttgart.

Es sind elementare Dinge von denen ich schreibe – Wohnraum ordnet sich auf der untersten Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide ein, auf deren höchster Stufe das steht, was unser nur 2% zu den Affen unterschiedliches Genmaterial ausmacht – Selbstverwirklichung. An diesem Begriff gemessen, was bietet mir die Arbeit derzeit? Nun ja, es mag zu früh sein, dafür eine Einschätzung abzugeben. Es warten Probleme, Probleme für die das Lehrbuch noch keine Lösung parat hat, weil sie noch keiner gelöst hat. Was will man zunächst mehr? Ein Welt ohne Probleme, wäre ein in der Perfektion erstarrtes, ein totes Gebilde. Und doch zeigt uns die Vielfalt der heutigen Probleme, des Wissens, der Methoden und Fähigkeiten doch nur auf, wie unsere Unvollkommenheit, die Beschränktheit unserer intellektuellen Kapazität, unseres Denkens, es so vollkommen unmöglich macht, sich mit all den interessanten Problemen dieser Welt selbst auseinanderzusetzen – Gedanken, die zwischen Kantine und Büro entstehen und diskutiert werden.