Vom Zauber der Berge und des Anfangs

28Aug
2009

Diesmal ging es ins Stubaital, um sich neuen alpinen Herausforderungen zu stellen. Die Wandertour führte uns durch zwei verschiedene Welten, zwei verschiedene Auffassungen, was der Mensch mit dem anstellen kann, was die afrikanische Platte im Laufe von etwa 100 Millionen uns überlassen hat. Nach einer dieser Auffassungen, sind es nur dezente Wegmarken, die die im Laufe der Zeit entstandenen Trampelpfade und Serpentinen kennzeichnen, kleine Berghütten, wie man sie sich vorstellt und ansonsten eben das, was man sucht, wenn man die gewohnten Gefilde zivilisierten, städtischen und automatisierten Lebens verlässt und sich auf weitestgehend naturbelassene Felskompositionen begibt. Die andere Auffassung ist jene, nach der die Berge nur ein unfertiges Zwischenprodukt auf dem Weg zu einem großen Freizeitpark sind, ein Baugrund für jene, die den Wintersport industrialisierten und die Barrieren, die einst die Berge boten, durch plastisch-chirurgische Eingriffe mit Planierraupen und Baggern, nivellieren. Die ein Verkaufszentrum auf 2900 m Höhe einrichteten, und die einst anspruchsvollere Beförderungsmöglichkeiten wie Schlepplifte durch beheizte Sesselbahnen mit Haube ersetzten und überdachte (!) Vollidiotenlifte in Form eines Förderbands in fast völlig flachem Gelände – aber natürlich auf knapp 3000 m Höhe – installierten, im offiziellen Jargon genannt “Zauberteppich”. Juhu, Harry Potter hat Einzug in die Berge gehalten und die Wintersportindustrie hat das Zaubern gelernt! Nein, ich bin nicht dagegen, es macht keinen Sinn gegen Entwicklungen sein, die das Marktgeschehen notwendigerweise so veranlasst. Ich bin und bleibe ein Marktliberaler, vor allem bin ich ja ein begeisterter Skifahrer und somit Teil der “professionalisierten” Nutzung jener Landschaften mit entsprechenden Höhenprofil. Aber nichtsdestotrotz bleibt das subjekte Urteil, dass das was dort stattfindet, eine furchtbare Verschandelung der Landschaft ist.

Im Dunstkreis dieser Landschaftsmodifikationen waren teils auch die Wege zu den Gipfeln mehr und mehr barrierefrei mit Treppen und Seilen ausgestattet – und doch fanden sich ein wenig davon entfernt noch etliche Gipfel, auf denen weder Wegmarken noch Fixseile zu sehen waren. Allein manche Trampelpfade wiesen einem Wege, die potentiell zum Gipfel führten, doch spätestens auf groben Felsbrocken sind keine Spuren mehr zu sehen und es beginnt die kreative Komponente des Bergsteigens – man muss sich seinen eigenen Weg suchen, muss selbst einschätzen welcher Pfad über die Felsen sicher ist, welche Steine einen tragen werden und letztlich auch zum Gipfel führen. Oben angekommen hat man einen weiteren Berg begreifen gelernt, seine Unwägbarkeiten umschifft, und dabei etwas über sich selbst gelernt, über seine Fähigkeiten und seine Grenzen. Dann darf auf dem Gipfel stehend sich im wahrlich zauberhaften Glanz des Berges sonnen – in seiner Höhe.

Zum Zaubern würde nun wieder ein bekanntes Hesse-Zitat passen, auch zu dem Anfang, vor dem ich nun stehe, mit der nun beginnenden Diplomarbeit wieder in Stuttgart. Ein Link zu mir selbst, für diejenigen, die nun nicht wissen, wovon die Rede gewesen ist. Und weil ich mich gerade fragte, woran mich eben jene Formulierung schlagartig erinnerte – sie war die – zugegeben eigenwillige – Bezeichnung des ersten Kapitels einer – sehr lesenswerten, aber wie ich in einer Kritik darüber las, “enigmatisch geschriebenen” – Morphologie des Erkennens und Erklärens.

Zurück von den Bergen

17Aug
2009

Zwei Wochen war ich nun im Unterengadin, um an einer Melange aus etwas vormittäglicher Mathematik (respektive mitternächtlicher, was die Vorbereitung des eigenen Referats angeht…) und Freizeit in schönster Bergumgebung während des Nachmittags teilzunehmen – etwas konziser zu bezeichen als “Sommerakademie”. Eben jene Veranstaltung letztes Jahr brachte mich erst darauf, was die Berge Grandioses zu bieten haben. Ich erinnere mich daran, wie langweilig ich Wandern zu Kinderzeiten fand – natürlich, ein Berg ist nicht ein buntes, quietschendes, klackerndes Kinderspielzeug, biologisch betrachtet oberhalb der Vegetationszone einfach nur tote Materie. Doch gerade da, fängt man an, eine Welt zu betreten, die sich so genauso gut einem ersten Besucher des Mondes dargestellt haben könnte – eine Formation wie die Natur sie entstehen ließ, wo man sich vorstellen kann als erster einen Stein zu betreten. Eine Art von schlichter Eleganz, wie Berg an Berg sich fügt, eine Herausforderung, die sich einem in den Weg stellt, wenn man am Fuß des Berges steht und nach oben blickt. Wenn man zwischen den den Schnee- und Geröllfeldern, den letzten Wiesenabschnitten am Ende der Vegetationszone und den Gletschern sich einen Weg suchen muss, immer wieder vor der Frage steht, wie weit man kommt, wie hoch man kommt, was die eigenen Fähigkeiten und die eigene Kondition zulassen. Die Berge, sie zeigen einem, wie klein man als Mensch doch ist und lassen einen gleichsam an ihrer Größe teilhaben, wenn man auf einem exponierten Gipfel steht und auf alles darum in näherer Umgebung hinunterblicken kann. Und doch ist der Gipfel nur Teil des Zieles, Teil des Weges – den Berg zu begreifen, welche Felsen sich als stabil erweisen, auf welchem Geröll man nicht zu sehr ins Rutschen kommt, um dann schließlich zu sehen, das man diese Herausforderung geschafft hat und sich als ihr würdig erwiesen hat, das ist das Ziel.

Ansonsten dürfte dem ein oder anderen aufgefallen sein, dass sich die Titelbilder geändert haben – die Photo section enthält nun eine eigene Bildergalerie, nachdem ich bei Myphotoalbum nun endgültig nicht mehr “good standing” war (nein, ich brauch noch immer keine Waschmaschine…) – die alten Photos aus SWE sind nun weg, dafür jede Menge Photos von besagten Bergtouren.

Good standing bubbles

21Jul
2009

Da war ich gerade im Begriff, die Bilder von unserem nun etwas mehr als eine Woche zurückliegenden Ausflugs in den Skylinepark hochzuladen, da verrät mir das Meinphotoalbum “You have 30 days of good standing left.” Ah. 30 Tage bin ich noch angesehen, und dann? Ein Blick in den darunter stehenden Text erklärt einiges – ich habe noch 30 Tage Zeit um endlich mal irgendeinen Cent für den ganzen für die Produkte und Dienstleistungen dieses Anbieters auszugeben, alternativ darf ich auch bei den Werbepartnern Digicams, Handys oder was auch immer bestellen. Man stelle sich dazu den Zeitschriftenverkäufer an der Tür vor “Sie bekommen dieses Abo komplett kostenlos. Sie müssen nur eine Waschmaschine bestellen.” Kinder begreift doch endlich, im Web 2.0 da ist kein Geld zu verdienen. Anbieter die sich nur Werbung finanzieren, von Anbietern die sich nur durch Werbung finanzieren, von Anbietern, die… Natürlich, irgendwann schaltet jeder mal soviel Werbung, dass er Gewinn macht, genau nach dem Prinzip haben Hypotheken in den USA doch auch mal lange funktioniert…

Wie komme ich nur schon wieder in den Dunstkreis der Krise? Mag sein, dass die “Neues aus der Anstalt” Folgen, die ich mir derzeitig über die Mediathek ansehe, ihren Beitrag dazu leisten, welche während der Sommerpause sich zu einem Raab-Substitut entwickelt haben. Natürlich ist die Krise ein dankbares Thema für jeden Kabarettisten, unter den besten Kommentaren dazu rangiert aus meiner Sicht dieser von Dieter Nuhr “Wenn eine Bank pleite geht, dann ist das, wie wenn ein Getränkehändler verdurstet.”, gefolgt von der Erklärung, dass dies wieder verständlich sei, wenn ein Getränkehändler, der 100 Kisten Mineralwasser hat, plötzlich 500 Kisten verkauft.

Wenn auch die letzte Flasche Wasser in der Wüste uns mehr wert wäre als die Freiheit unseres Denkens und unserer Äußerungen – so ist die Freiheit des Wortes, das bekanntlich der Anfang von allem war, gar nicht hoch genug zu schätzen. In Gestalt der Piratenpartei ist nun eine Gruppierung angetreten um auf politischer Ebene etwas gegen jene Tendenzen zu unternehmen, dass der Staat schon wissen wird, was besser und schlechter für seine Bürger ist. Und auch zu politisch links eingestellten Netzaktivisten, die auf telepolis schon mal zu Wort kamen, um für libertäre bis anarchische Positionen zu werben, und der Freiheitsbegriff ganz schnell aufhört, wenn es um die “bösen großen Konzerne” geht, scheinen die Piraten keine direkten Verbindungen zu haben. Aber will man eine Partei wählen, die eigentlich keine wirkliche Meinung zu Dingen wie der Wirtschaftspolitik hat? Um es mit den Worten von einem vor langer Zeit schon einmal zu besonderen Ehren gekommenen zu sagen:

“Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust”

Auch wenn ich den Meister vielleicht nicht so treffend zitieren kann wie ein Video-Blogger auf Spiegel online, gibt doch nichts besser den ewigen Zwist zwischen Wunsch und Wirklichkeit wieder, zwischen Ideal und Realität oder auch: der reinen Lehre und der schnöden Applikation.

Ein Deja-vu am Rande

23Jun
2009

Bei trüb-grauer Wolkendecke sitzt man in der Uni-Bib, denkt nach, fragt sich warum man nachdenkt, schaut sich um, sieht die neuen PC-Terminals an Stehtischen samt Herstellerlogo. “Pulte Fabrik” nennen Sie sich, auf deren Web-Seiten entnimmt man, dass sich die Uni jene Möbel etwa 500 € das Stück kosten hat lassen – nun, man hat es ja, oder nicht? Doch entpuppte sich jener Ausflug auf die Seiten dieser Firma als weiteres “Small-World”, wahlweise vielleicht auch “Global-Village”-Erlebnis. Guckt doch mal auf dem Bild rechts oben wo ich da stehe – richtig vor einem Rednerpult, verziert mit den Insignien des Königreichs Schweden (aufgenommen im Reichstag in Stockholm). Ganz im Gegensatz zu dieser klassischen, historischen Anmutung steckt dahinter moderne Technik, per Knopfdruck lässt sich die Arbeitsfläche? Ablesefläche? auf die gewünschte Höhe justieren, sozusagen garantiert ergonomische und gleichsam diskriminierungsfreie Körperhaltung für den Vortragenden  – und wer hat´s gebaut? Richtig, die “Pulte Fabrik” natürlich.

Ein nettes Deja-vu Erlebnis am Rande sozusagen – ganz anderes dürften sich die Entwickler eines amerikanischen social networks gedacht haben, als sie wahrscheinlich ihren Augen nicht trauten, wie sie erstmals einen deutschen Klon ihrer Internetseite entdeckten. Ich weiß, ich verliere gerne den ein oder anderen Misston über die Generation Logorrhoe, deren aussagelose Statusaussagen den medialen Äther überfluten – um gar nicht erst zu reden von “Anwendungen” dieser Netzwerke wie virtuelles Schneeballwerfen – aber zumindest haben die Entwickler des amerikanischen Orginals sich dies einmal so ausgedacht. Deren Klage gegen das allzu dreiste Kopistentum ist gescheitert – was sachlich durchaus verwundern mag. Auch wenn es nur ein kleiner Teil des brotlosen Bubble 2.0 Business ist – in Redmond kriegt man auf ganz andere Erfindungen sogar Patente.

Privacy 2.0

09Jun
2009

Wir wissen doch seit dem letzten Eintrag (ohne das ich den Link wiederhole), dass wir alle Terroristen sind. Natürlich, Vater Staat ist ständiger Sorge um die Sicherheit seiner Bürger und tut sein allerbestes dafür – aber hätte Orwell zu besten Zeiten sich denken lassen, dass weniger Jahrzehnte später wir uns alle mit Peilsendern durch die Gegend bewegen – und das freiwillig? Soll es tatsächlich Leute geben, die sich beschweren, dass der Staat ihre Privatssphäre nicht schützt und gleichzeitig in diversen sozialen Netzwerken im Fünf-Minuten-Takt aller Welt mitteilen “Putze Zähne”, “Trinke Tee” oder auch nur “Gäääähn”? Ach was, denkt man sich da als moderner Bubble 2.0 Partizipant – das wissen doch nur meine engsten 250 Freunde! Wer ahnt denn da böses wenn eine Freundschaftsanfrage kommt, wenn man sich in der Firma krankgemeldet hat? Damit all das der Internetgeneration von heute erspart wird, haben meine besonderen Freunde des BMSFSJ eine – im Grunde genommen ja gar nicht so unsinnige – Kampagne gestartet. Wenn man sich aber jetzt fragt, welcher Werbeagentur hier Hundertausende Euro des Steuerzahlers hinterhergeschmissen worden sind um diese Filme zu drehen… denkt man sich doch, hätte man nicht die Werbeagentur von Electronic Arts beauftragen können? Die sind wenigstens kreativ. Im Gegensatz zu mir momentan. Wird sich aber auch wieder ändern, so wie das Wetter…