Faszinierende Erkenntnisse 2 | Wenig faszinierende Menschen 1

23Jul
2017

Die Fähigkeit, wie die Politik den Wandel der Gesellschaft exemplarisch bei der “Ehe für alle” abgebildet hat, ist für mich eine faszinierende Erkenntnis. Ich denke, man muss kein Aktivist für Schwulenrechte sein, man muss auch kein Fürsprecher des Konzepts der Ehe an sich sein, um sich an der Symbolik dieses Moments zu erfreuen: Ein breites Bündnis vom linken Spektrum bis zu einem Viertel der konservativen Abgeordneten geht einen Schritt weiter bei der Gleichberechtigung, bei der Gestaltungsfreiheit, wie Menschen leben, lieben und Verantwortung füreinander übernehmen wollen. Eine weitere Wahlmöglichkeit ist hinzu gekommen, niemand muss sie nutzen, niemandem wird etwas weggenommen. Und ein paar Leute ärgern sich darüber, die sich gerne darüber ärgern sollen.

Wie zum Beispiel Ulrich Kutschera, der Homosexuelle in die Nähe von Kinderschändern stellt. Ist es Wert für jemanden, der derart aus der Zeit gefallen ist, und dessen professorale Nebentätigkeit sich am ehesten mit “Berufsprovokateur” beschreiben lässt, einen neuen Tag “Wenig faszinierende Menschen” zu initiieren? Ich denke, man sollte durchaus unterscheiden zwischen einem harmlosen Stammtisch von alteingeborenen Dorfbewohnern (oder – ähnlich problematisch – eben auch einem Stammtisch kürzlich Zugezogener, die behaupten, aus Ländern zu kommen, in denen es gar keine Homosexualität gibt) auf der einen Seite und jemandem mit akademischen Weihen auf der anderen Seite. Ich werde Kutscheras Interview mit kath.net hier nicht verlinken, aber es nicht schwer zu finden: Bei aller Freiheit der Wissenschaften ist dieser Grad an Menschenverachtung einfach nur irrsinnig.

Von einigen Leuten im akademischen Umfeld, die der Genderforschung im akademischen Betrieb kritisch gegenüber stehen, war Kutschera immer der “Vorzeige-Anti-Gender-Prof”, der die Geschlechterforschung vermeintlich als Pseudowissenschaft entlarvt. Auch ich stehe vielen Strömungen der Gender-Wissenschaften kritisch gegenüber, z. B. glaube ich nicht, dass die Welt besser wird, wenn uns “Wissenschaftler*innen” vorschreiben wollen, wie wir unsere Sprache zu verhunzen haben. Und statt extra Toiletten für Transsexuelle wäre mir eine Gesellschaft lieber, in der es praktisch jedem egal ist, auf welche Toilette man geht (und konsequenterweise einfach nur noch Unisex-Toiletten baut). Aber wer sich den oben verlinkten Artikel auf queer.de genauer anschaut, stellt fest:

“Unterdessen haben am Mittwoch rund 100 Studenten mit einem Regenbogen-Picknick gegen den Professor protestiert.”
Quelle

Studenten. Nicht mal “Studierende”, an das wir uns ja fast schon zwangsweise gewöhnen müssen. Es ist also wunderbar möglich, über Homosexuellen-Rechte und die völlig irrsinnigen Äußerungen dieses Professors in einer ganz normalen und klaren Sprache zu berichten. Eine weitere faszinierende Erkenntnis des Tages.